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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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gar nicht, dachte Betty. Der Arzt war ein junger herablassender Mann.Wenigstens sagte er nicht »wie geht’s uns denn« oder sprach betont langsam und mit erhobener Stimme wie andere Ärzte.
    »Aber sie ist nur erkältet«, wandte Miranda ein, als der Arzt darauf bestand, Betty wieder ins Krankenhaus zu schicken. Das war doch übertrieben. Und schließlich wusste jeder, dass Menschen im Krankenhaus nur noch kränker wurden. Vor allem alte Menschen.
    »Pass auf, dass du nicht das Sundown-Syndrom kriegst«, sagte Miranda an diesem Abend zu Betty, als Annie und sie aufbrachen und ihre Mutter in der Obhut des gestressten Pflegepersonals zurückließen. »Wasch dir häufig die Hände.«
    »Ich hab ja schon Staphylokokken, Schatz.«
    »Siehst du?«
    Betty warf ihnen einen Kuss zu und winkte, dann wurde sie wieder von einem Hustenanfall geschüttelt.
    » American Idol «, keuchte sie und wies auf den Fernseher.
    An der Tür schauten die beiden noch einmal zurück. Betty war blass und dünn und hustete schwer. Überall an ihrem Körper waren Schläuche befestigt. Sie fischte ihre Brieftasche aus der Nachttischschublade, schaute auf den Bildschirm und gab eine Nummer insTelefon ein.
    »O Gott, nicht schon wieder«, sagte Annie.
    Auf dem Bildschirm wischte jetzt ein junger Mann mit einem wundersam saugfähigen Tuch eine Colalache auf. »Wowsham!«, sagte er dabei.
    ZweiTage später, amTag des heftigen R egens, lag Betty noch immer im Krankenhaus. Miranda hatte fast den ganzenTag dort verbracht, sich dann aber eine Pause gegönnt, um Unkraut zu jäten und die frische Luft einzuatmen, die vom Strand herüberwehte.
    Jetzt, während R obert und Leanne in ihrem offenbar sehr unangenehmen Gespräch verfangen waren, holte Miranda Annie vom Bahnhof ab und fuhr mit ihr zum Krankenhaus. Miranda erzählte nichts von der Szene, die sie beobachtet hatte. Sie sprachen nur über Betty.
    »Heute früh ging es ihr gut«, sagte Miranda, doch es hörte sich sogar in ihren eigenen Ohren falsch an. »Sie hat ein bisschenToast und Apfelmus gegessen.«
    In Bettys Zimmer hängten die beiden ihre Mäntel auf. Betty bedeutete ihren Töchtern, dass sie sich jeweils auf eine Bettseite setzen sollten. »Du hier und du da«, sagte sie und nahm sie dann beide in die Arme.
    »Ich liebe euch«, sagte sie.Tränen stiegen ihr in die Augen. »Ich liebe euch beide so sehr.«
    Annie und Miranda warfen sich hinter Bettys R ücken einen Blick zu.
    »Wir lieben dich auch«, murmelten sie, in einemTonfall, der besagte: Was ist los, um Himmels willen ?
    »Es ist vorbei«, sagte Betty schließlich nach ausgiebiger Umarmung und halb unterdrücktem Schniefen. »Es ist vorbei.«
    »Was?«, sagte Annie und sprang auf. »Was ist denn los?Was hat der Arzt gesagt?«
    »Die Scheidung. Die Scheidung ist vorbei«, erklärte Betty beruhigend.
    »Du lässt dich scheiden?«, fragte Miranda, und ein belämmertes Lächeln trat auf ihr Gesicht.
    »Ach, Schatz, natürlich lassen wir uns scheiden. Darum geht es doch gerade. Jetzt muss Josie nachgeben. Der Forensic Accountant hat alles im Griff.«
    »Was für ein Forensic Accountant?«, fragte Annie. »Wovon redest du?«
    »Er heißt Mr. Mole. Der Name passt doch fantastisch, oder? Als R oberts mir seinen Namen genannt hat, wusste ich sofort, dass er uns helfen würde.«
    » R oberts?«
    » R oberts und Mr. Mole haben das alles geregelt. Josie muss mir dieWohnung überlassen und einenTeil unseresVermögens. Er muss sich jetzt wie ein anständiger Mensch benehmen. Alles geht seinen Gang. Er hat ja immer behauptet, ein anständiger Mensch zu sein.«
    Annie sank wieder aufs Bett. »Großer Gott«, sagte sie und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
    »Wir haben tatsächlich gesiegt!«, rief Miranda aus. »Endlich! Stimmt es auch wirklich?«
    »Ich soll morgen in die Stadt kommen und die Papiere unterzeichnen. Aber …«
    »Die lassen dich bestimmt heute Abend raus, und wir fahren dich morgen«, sagte Annie.
    Betty lachte. »Ihr tut so, als sei ich quasi tot, und dann soll ich aus dem Bett springen undTermine wahrnehmen? Aber die werden mich ohnehin nicht rauslassen heute.«
    »Aber …«
    Betty deutete auf ihre Brust. »Lungenentzündung oder so was …«
    Annie lief hinaus, um nach dem Arzt zu suchen, der natürlich unauffindbar war. Lungenentzündung oder so was? Diese kleine Information wurde ihr so nebenbei vermittelt? Betty konnte einen zur Raserei treiben. Annie hätte ihre Mutter mitsamt ihrer Lungenentzündung am liebsten

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