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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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der guten alten Dame auch innerlich rührte. Das war Bendigsche Art. Auch Luisa hatte, wenn sie gelegentlich für ein paar Tage zu ihren Eltern oder zu Trix fuhr, Kathi genaue Rezepte für die Zeit ihrer Abwesenheit hinterlassen.
    »Ach, wir werden schon nicht verhungern, Mama. Es wird natürlich nicht ganz so fein abgeschmeckt sein wie bei dir, aber schließlich hat Kathi uns schon oft genug für ein paar Tage selbständig ganz ordentlich versorgt und bekocht.«
    Er wußte, daß Kathi hinter der alten Dame drei große Kreuze schlagen würde. Sie waren beide Herrennaturen, und die Küche war ein zu enger Spielraum für Eisenköpfe, um nicht aneinanderzurennen, zumal für Eisenköpfe mit so unterschiedlichen Geschmacksnerven. Die Hellwang-Kinder kannten die norddeutsche Küche nur von den seltenen Ferienbesuchen bei den Großeltern. Konrad Hellwang und Luisa hatten sich in den langen Jahren, da sie in Bayern ansässig waren, ihrer halb entwöhnt. Kathi haßte sie. In ihrer Ausdrucksweise >grauste< es ihr davor; es grauste ihr vor Königsberger Klopsen und vor mit Rahm angemachtem Gurkensalat, es grauste ihr vor Obstsuppen und Seefischen, vor Fruchtkaltschalen und vor allem vor roter Grütze mit Vanillesoße. Die alte Dame ihrerseits fand Semmel- oder Kartoffelknödel schauderhaft, zur Bratente gar eine Entweihung — »es geht doch nichts über eine gute, mehlige Kartoffel!« — sie fand gemischten kalten Salat zu Schweinebraten empörend, und die bajuwarische Völlerei auf dem Oktoberfest nannte sie >nackten Kannibalismus«. Der Maßkrug war für sie der beredte Ausdruck trunksüchtiger Maßlosigkeit...
    So war es zu verstehen, daß Kathi während ihrer langen Anwesenheit im Hause außerordentlich nervös geworden war und es nur mit äußerster Anstrengung nicht zu einer Explosion der Kräfte kommen ließ, die sich in ihrem Inneren zusammenballten. Geschah es nun als Aufmerksamkeit, oder war es ein sichtbares Zeichen ihrer Erleichterung, die alte Dame verschwinden zu sehen, jedenfalls besorgte sie von der Gärtnerei Empfenzeder drei Sträußchen Primeln, und mit diesem Blütengruß durften sich die Kinder von der weinenden Omi verabschieden. Auch Konrad Hellwang war es schwer ums Herz, als er zwischen seinen kleinen Töchtern dem davonrollenden D-Zug nachwinkte.
    Auf der Heimfahrt durfte Lydia im Wagen neben ihm sitzen. Ihre ewig zappelnden Hände entdeckten in dem Spalt zwischen Rückenpolster und Sitz ein Taschentuch, ein kleines Tüchelchen mit gehäkeltem Rand und Luisas Monogramm in einer Ecke. Wann hatte sie es dort vergessen? Auf einer der vorweihnachtlichen Stadtfahrten, von denen sie hochbepackt und geheimnisvoll, die neugierigen Kinder zu Kathi in die Küche scheuchend, heimgekehrt waren — oder auf der letzten Fahrt in die Klinik, von der er sie nicht mehr abholen durfte? — Er nahm Lydia das Tüchelchen fort und barg es in seiner Brusttasche. Über Wochen oder Monate, die es da in seinem Versteck gelegen hatte, war ihm ein zarter Duft nach Lavendel-Orange haften geblieben, ein Duft, der etwas in Hellwangs Kehle aufquellen ließ. Vielleicht rief der süße Hauch in den Herzen der Kinder ebenfalls eine Erinnerung an Luisa wach. Sie hockten für den Rest der Fahrt, während der Wagen die Stadt verließ und zwischen märzlichen Feldern, ständig wachsenden Siedlungen und neuen Wohnblöcken in Richtung Greiffing fuhr, still in den Polstern und streiften Hellwangs umschattetes Gesicht mit scheuen, zärtlichen Blicken.
    Im Zimmer, das Frau Professor Bendig bewohnt hatte, wurden die Betten für die neue Hausgenossin frisch bezogen, die Gardinen gewaschen und neu aufgesteckt und überhaupt Generalreinigung gehalten. Die beiden Mädels halfen, sobald sie aus der Schule kamen, tüchtig mit — wenigstens war das ihre Meinung. Kathi war von dieser Hilfe weniger begeistert, einmal, weil die Kinder ihr dauernd im Wege standen, und dann auch, weil der
    Eifer, den sie da >für die Neue< entwickelten, ihr irgendwie als Dorn im Auge zu sitzen schien.
    »Ha, ihr zwei könnt’s euer Fräulein wohl gar nimmer erwarten?« knurrte sie und sog die Luft durch den Eckzahn. Die Kinder, die alles Neue begehrenswert fanden und denen Abwechslungen immer spannend und hochwillkommen waren, woher sie auch kamen, waren arglos genug, Kathi gegenüber nicht zu verhehlen, daß sie auch der Ankunft ihrer Erzieherin Reize abzugewinnen vermochten, während Kathi fraglos der Meinung war und diese Ansicht auch bekundete, daß sie da

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