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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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ahnungslos aus Giftblüten Honig sögen. —
    Sie wand den Scheuerlappen so nachdrücklich und energisch aus, als drehe sie einer Gans den Hals ab, sie wickelte ihn um den Schrubber und stützte die roten Fäuste auf den Stiel, während ihr Gesicht den düsteren Ausdruck Kassandras kurz vor dem Untergang von Troja annahm. Sie hatte Fräulein Zögling am Tage der Vorstellung nur die Tür geöffnet und den Mantel und Schirm abgenommen, aber diese flüchtige Begegnung genügte ihr bereits, um ein abschließendes, kaum noch korrekturfähiges Urteil zu fällen.
    »Ihr werdet’s ja erleben«, murmelte sie in sich hinein und kicherte dumpf durch die Nase, »freut euch nur drauf — auf dees hochmütige, kalte Luder, auf dees kalte!« —
    Am Sonntag, gleich nach dem Mittagessen, bat Kathi Hellwang um die Erlaubnis, die Kinder zu ihren Leuten mitnehmen zu dürfen. Obwohl Konrad Hellwang der Gedanke, den Tag in dem stillen Hause allein verbringen zu müssen, nicht sehr angenehm war, gestattete er es, als er sah, wie die Kinder bei Kathis Vorschlag Hurra schrien und mit den Löffeln in die geleerten Puddingteller trommelten. Söhnchen krähte vor Begeisterung, und selbst für Britta waren diese Besuche bei Kathis Eltern noch Höhepunkte des Lebens. Denn Kathis Mutter hielt für sie stets ein paar Schmalznudeln bereit, die lockersten und duftigsten Schmalznudeln weit und breit, und sie durften sie in den Kaffee tunken. Und sie durften das kleine Häusl auf den Kopf stellen, und sie durften mit Kathis Bruder Michl auf dem Sozius seiner 6ooer BMW Runden um das Wohnviertel drehen. Und zum Schluß ging es immer in den >Hubertus<, wo je nach Jahreszeit und Wetterlage im großen Saal oder im Freien die Blasmusik spielte, Schuhplattler tanzten, Komiker auftraten und wo sie die Schweinswürstl vom Rost mit tüchtigen Schlucken aus dem gemeinsamen Maßkrug hinunterspülen durften.
    Jedes der Kinder bekam ein Markstück in die Hand gedrückt, Kathi putzte sie heraus, Lydia, die sich bei solchen Gelegenheiten wie ein Pfingstochse mit klirrendem Schmuck aus der Wundertüte behängte, wurde rasch noch um ein paar Armbänder, Ringe und Halsketten erleichtert, und dann zogen sie aufgeregt schwatzend ab, und Hellwang blieb mit seiner Zigarre und mit seinen Gedanken allein zurück.
    Aber nach einer Stunde sperrte auch er das Gartentor hinter sich zu. Es litt ihn nicht länger im Hause. Die Wärme war daraus entwichen. Wenn er durch die Zimmer ging, hatte er das Gefühl, es fehlten nur noch weiße Leinenbezüge über den Möbeln, um das Bild der Unwohnlichkeit zu vollenden. In den Zimmern herrschte die beklemmende Sauberkeit von Krankenhäusern oder zur Besichtigung freigegebenen Musterwohnungen. Man suchte unwillkürlich nach den Strohpantoffeln, die zur Schonung der Fußböden auf der Schwelle bereitstanden.
    Kathi hatte eine vertrackte Art, die Stühle seitlich zum Tisch auszurichten und die Kissen mit einem Handkantenschlag zu deformieren, so daß zwei Zipfel prall und steif emporragten. Alles stand wie in Kommandostellung, diese gemütlichen Stücke, die Luisa und ihm wie alte Freunde vertraut waren und alle ihre Namen und ihre Geschichten hatten. Der große Ohrensessel Maximilian, der Täbris in Luisas Zimmer, den sie Anna von Cleve genannt hatten, der alte Bauernschrank mit den treuherzigen Heiligenbildern auf den Türen, der York von Wartenberg hieß — alles benannt nach Arbeiten und Aufsätzen Hellwangs, von deren Honoraren immer ein Teil für die Erfüllung eines Wunsches abgezweigt worden war. — Ach, Luisas Atem wehte nicht mehr durch die Räume, ihr warmer Atem, der auch den toten Dingen Leben eingehaucht hatte.
    Kathis Ordnungsbegriff war für den, der ihn mit voller Wucht zu spüren bekam, eine furchtbare Geißel. Sie feierte mit dem kombinierten Staubsauger stundenlange Orgien. Einem Versuch Hellwangs, den teuflischen Apparat heimlich außer Gefecht zu setzen, hatte die außergewöhnlich starke Konstruktion widerstanden. Luisa allein hatte das Kunststück fertiggebracht, Kathis Ordnungsdrang mit Samthandschuhen über eisenharten Gelenken zu zügeln. Ob dieses Fräulein Zögling, das in der kommenden Woche den Hausdamenposten antreten sollte, in der Behandlung Kathis die gleiche oder wenigstens eine annähernd gleiche Geschicklichkeit besitzen würde? Er erinnerte sich mit einigem Unbehagen an die Unterredung mit Kathi, an ihre mißtrauisch präzisen Fragen über die Kompetenzen der künftigen Hausgenossin gegenüber ihren
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