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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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schon der veredelnde Einfluß von Fräulein Zögling?
    Kathi drehte sich langsam um, sie maß Lydia von oben bis unten mit einem langen, äußerst unfreundlichen Blick: »Da schau her, du Mistfratz, du mistiger, wegen Gutti findst her zu mir. — Geh doch zu euerm Fräulein, wenn d’ was zum Schlecken haben willst. Ihr seid’s eh ja schon ganz dick miteinander...« Die Eifersucht glitzerte nur so aus ihren Augen.
    »Ach, die...!« sagte Lydia und schnippte geringschätzig mit dem Finger; »und überhaupts sagt man nicht Fräulein, sondern Fräulein Zögling. Fräulein allein sagt man nur zu Dienstmadln und Kellnerinnen, aber niemals nicht zu Damen!«
    Kathi tat einen Schnaufer, der den Brustlatz ihrer Schürze zu sprengen drohte: »Das hat sie gesagt? Zu Dienstmadln und Kellnerinnen? Daß das keine Damen nicht sind — hat sie gesagt?« Und sie schleuderte den Daumen in Richtung der Zimmerdecke, wo sich irgendwo weiter westlich das Zimmer von Fräulein Zögling befand.
    »Grad so hat sie’s gesagt«, bestätigte Lydia eifrig.
    Kathi pfiff durch die Zähne: »Und hat sie vielleicht sonst noch was über mich gesagt?« fragte sie argwöhnisch. »Nur zu! I derpack’s scho!«
    Lydia ließ sich mit dem Nachdenken eine ganze Weile Zeit: »Nein, sonst hat sie eigentlich nichts weiter gesagt. — Aber hast jetzt ein Gutti für mich, Kathi?«
    Kathi griff zerstreut in ihre Schürzentasche und brachte daraus eine klebrige Tüte zum Vorschein. — »Daß ich keine Dame nicht bin...« murmelte sie grimmig, und »dees haut ja hin!« und nach einer Weile: »Pfüati God, dees geht guet oo, sauber geht dees an, bildsauber...!«
    »Krieg ich alle?« fragte Lydia überrascht, denn so großzügig war Kathi für gewöhnlich nicht.
    »Jaja, nimm’s nur«, sagte Kathi abwesend; doch dann kehrte sie wieder in die Gegenwart zurück: »Aber wenn sie wieder was über mi sagt, hast g’hört...«
    »I versteh scho«, nickte Lydia, »und ich werd Obacht geben, dadrauf kannst dich verlassen.«
    Kathi griff wieder nach der Schere, sie rollte den rotweiß gewürfelten Bogen aus und teilte mit kraftvoll säbelnden Schnitten die Länge für das nächste Schrankfach ab. Manchmal schnaufte sie grimmig auf oder kicherte böse in sich hinein. Lydia saß auf der Ecke des Küchentisches, ließ die herrlichen roten Himbeerbonbons genießerisch auf der Zunge zergehen, schlürfte mit dem Saft, schlenkerte mit den langen, dünnen Beinen und schaute zu, wie Kathi den Schrank auslegte und das Papier mit Reisstiften befestigte. Auf der Gasflamme begann das Kaffeewasser zu summen.
    »Kannst Bohnen mahlen«, brummte Kathi. Lydia hüpfte von ihrem Sitz herab und stelzte zum Büffet hinüber, um die elektrische Kaffeemühle hervorzuholen.
    »Aber spar nicht mit den Bohnen!« ordnete Kathi an, »heut brauch ich schon -was Starks, was einen aufmuntert — nach der Geschieht...Keine Dame! Kchchchchch!«
    Das Wasser auf dem vierflammigen Herd sprudelte. Kathi ließ es sprudeln. Zunächst mußte der Schrank einmal fertig werden.
    »Na, und wie ist sie sonst, die Neue?« fragte sie schief.
    Vielleicht, daß Lydia die vielen braven Kinder auf die Nerven gegangen waren, die dem Fräulein so viel Freude bereitet hatten, oder die Strafarbeit — vielleicht aber auch merkte sie, woher der Wind wehte, und daß Kathi nichts Schlimmeres widerfahren konnte, als jetzt etwa ein Loblied auf das Fräulein zu hören.
    »A greußliche fade Nockn is es halt«, erklärte Lydia mit einem überzeugend geringschätzigen und angewiderten Gesichtsausdruck und merkte, daß Kathi von dieser Antwort tief befriedigt war. »Recht spreizen tut sie sich mit ihrem großkopfeten Grafen Idell-Idell...«
    »Sag’s noch amal«, rief Kathi verblüfft, »wie schreibt der sich?«
    »Idell Strich Idell«, wiederholte Lydia überdeutlich und mit Lippenbewegungen, als spräche sie mit einem Taubstummen.
    »Sachn gibt’s!« murmelte Kathi kopfschüttelnd, »Idell-Idell, da legst di nieder...als ob ein Idell nicht vollauf langen tat! Wird scho so a Graf sein, vorn nix, hinten nix, aber Idell-Idell, ha!«
    In diesem Augenblick betrat die >fade Nock’n< die Küche, und es war gar nicht ausgeschlossen, daß sie den letzten Teil von Kathis Monolog noch mitbekommen hatte. Lydia zog es vor zu verschwinden. Sie besann sich, daß die letzte Strophe der Strafarbeit in ihrem Hausheft noch fehlte, und sie tänzelte mit einem Unschuldsblick an Fräulein Zögling vorbei. Die Bonbontüte war auf geheimnisvolle Weise aus

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