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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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Kathi Schwierigkeiten bekommen werde?« Die Frage klang kühl und klirrend, als verberge Fräulein Zögling unter ihrem glatt anliegenden braunen Gewand ein stählernes Kettenhemd und eine blanke Wehr. —
    »Nein, o nein!« rief er hastig, »das wollte ich damit keinesfalls sagen! Nur, wissen Sie, es ist nun einmal so, daß man eine Katze streicheln muß, wenn man wünscht, daß sie schnurrt...« , Eine kleine, unangenehme Pause entstand. Es ging bei diesem Schweigen kein Engel durchs Zimmer. Im Gegenteil, wenn jemand ging, dann schleifte dieser Jemand deutlich einen huf ähnlich deformierten Fuß nach.
    »Wo liegt also mein Aufgabenkreis?« fragte Fräulein Zögling knapp und sachlich, und es ließ sich nicht überhören, daß sie eine klare und deutliche Antwort zu hören wünschte.
    »Bitte, bitte«, murmelte er beschwichtigend und hob die Hand, als hielte er etwas auf, was ihn zu überfahren drohte. »Sie sind als Hausdame hier eingezogen, und damit ist Ihre Stellung im Haus ja auch klar genug Umrissen. Wenn ich Sie bat, der guten Kathi ihren geliebten Küchenbezirk zu überlassen, so tat ich das mehr in der Absicht, Sie, mein liebes Fräulein Zögling, dadurch zu entlasten, damit Sie sich mit ungeteilten Kräften der Erziehung und Beaufsichtigung der Kinder widmen können, an der mir persönlich am meisten gelegen ist.
    Er wartete eine kleine Weile. Hatte Fräulein Zögling noch etwas zu bemerken? Sie schwieg mit schmalen Lippen. Eine neue Stille entstand, eine vertrackte Stille, durch die Spannungsfunken knisterten. Dann erhob Fräulein Zögling sich. Sie stand sehr gerade und schmal neben ihrem Sessel. Ihre Haltung erinnerte Hellwang an einen Erzengel, der, auf den Schwertknauf gestützt, vor der Pforte des Paradieses Wache hält. Das Bild aus der alten großen Bilderbibel daheim stand deutlich in seinem Gedächtnis.
    »Dann darf ich Sie wohl bitten, Herr Doktor, mich mit meinem neuen Aufgabenbereich vertraut zu machen!«
    »Ja, natürlich.« Hellwang erhob sich ebenfalls und ging Fräulein Zögling voran. In seine Mundwinkel kerbte sich eine leise Enttäuschung. Er hatte doch die Fäden so schön in der Hand gehalten. Nun spürte er, wie sie ihm aus den Fingern glitten. Der Kopfsprung in das Freibad hatte nichts genützt. Das Wasser war doch zu kalt. Er hielt das Schwimmen nicht durch und spürte einen Krampf in den Waden. —

STURMZEICHEN

    Nach dem Mittagessen wurde Söhnchen wie gewöhnlich von Kathi im Kinderzimmer ins Bett gesteckt. Es gab jedesmal Geschrei, Entrüstung und Kampf und jedesmal die Frage, wann er denn nun eigentlich so groß sei, daß er wie die Mädels aufbleiben dürfe. Fünf Minuten lang, je nach Tageslaune und Gesundheitszustand, brüllte, sang oder rumorte er im Bett, um Kathi zu beweisen, daß er pumperlmunter und daß es eine riesengroße Gemeinheit sei, ihm täglich den gleichen Schmarrn zu erzählen, nichts sei kleinen Buben nötiger und gesünder als der Mittagsschlaf. Dann wurde es plötzlich still, man hörte noch ein kleines Nuckelgeräusch, und für die nächsten zwei Stunden hätte selbst ein Weltuntergang Söhnchen nicht aufwecken können.
    Hellwang fuhr mit dem Wagen in die Stadt, um sich von der Staatsbibliothek einige Bücher zu holen. Wenn der Faden der eigenen Produktivität auch abgerissen war, so wollte er die leeren Stunden wenigstens mit neuen Studien ausfüllen, um gerüstet zu sein, wenn ihn ein neuer Auftrieb wieder an den Schreibtisch drängte.
    Britta und Lydia durften Fräulein Zögling beim Einrichten ihres Zimmers helfen. Es war ein hübsches Zimmerchen mit dem Blick auf die Nachbargärten, auf die mit Fruchtholz reich besteckten Obstbäume, von denen heute auch Oberst a. D. Habedanck die Leimringe entfernte, weil die Frostspannergefahr nunmehr gottlob vorüber war, und drüben auf die Rosenkulturen, die der alte Direktor Beyerlein behutsam aus der Strohumhüllung schälte, um blasse, winzige Spitzen nicht zu verletzen, die bereits zaghaft aus den kräftig zurückgeschnittenen Stöcken trieben. Es war ein Zimmerchen mit hochbeinigen Biedermeiermöbeln, rosa geblümten Gardinen, drei Tulpentöpfen auf dem breiten Fensterbrett und zwei gemütlichen, kretonnebezogenen Sesseln in der Ecke, wo der Nähtisch stand.
    Die beiden braunen Koffer, mit denen Fräulein Zögling ihren Einzug gehalten hatte und auf deren Inhalt die Kinder so neugierig waren, enthielten neben soliden Wäschegarnituren und einem halben Dutzend Kleidern den wertvollen und zärtlich
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