Die drei Hellwang-Kinder
hatte, von Kathis Lohn ab!
Es war zwar streng gesetzlich, oh, Fräulein Zögling wußte in diesen Dingen genau Bescheid, aber es verstieß gegen das Gewohnheitsrecht im Hellwang’schen Hause. Nie wäre es der seligen Gnädigen eingefallen — und einen Augenblick lang war Kathi dicht daran, der Neuen den ganzen Krempel vor die langen, schmalen Füße zu schmeißen. Für einen Augenblick nur, dann verzichtete sie auch auf die rasch erwogene Beschwerde bei Hellwang und schluckte den Lohnabzug und die Kränkung wortlos hinunter. Es ging noch eine ganze Menge in ihren gewaltigen Körper hinein — eine ganze Menge! Vorläufig sammelte sie Sprengstoff, ein Körnchen Pulver nach dem anderen, grimmig und verbissen. Oha, wenn die Neue sich einbildete, sie auf solche Art zu vergrämen und aus dem Haus zu ekeln, dann täuschte sie sich aber ganz gewaltig. Wer hier hinausgeekelt wurde, das sollte mal erst die Zukunft erweisen...
‘ Nein, Hellwang merkte von dem unterirdischen Schwelen und Gären nichts. Er schrieb, nach anfänglich vorsichtigen und zurückhaltenden Urteilen, schon nach einigen Wochen an seine Schwiegereltern nach Hamburg, daß >Mama mit der Wahl von Fräulein Zögling wirklich einen guten Griff< gemacht habe, und daß die neue Hausgenossin sich ausgezeichnet eingelebt habe und mit den Kindern vorzüglich umzugehen verstände. Und das war nicht etwa eine Beruhigungspille für die alte Dame, sondern es entsprach voll und ganz seiner Meinung. Denn das Rad drehte sich wieder, ohne daß er andauernd in die Speichen zu greifen brauchte. Gewiß, die neue Ordnung war nicht Luisas Ordnung, aber sie kam doch nahe an die alte Ordnung heran. Die Kinder sahen adrett und gepflegt aus, und die Mädels hatten zu Ostern gute Vorzensuren heimgebracht, Britta sogar einen Zweier in Englisch und eine Drei im bösen Rechnen; ihrer Versetzung stand also nichts im Wege. Die Großmutter in Hamburg freute sich und war stolz auf ihren Blick für menschliche Qualitäten. Sie hatte nie daran gezweifelt, mit Fräulein Zögling im richtigen Moment die richtige Person auf den richtigen Platz gestellt zu haben. Sie schickte jedem Kind ein Fünfmarkstück für die Sparbüchse — neben den Lübecker Marzipaneiern natürlich — und Lydia ließ sich von Fräulein Zögling beschwatzen, das blanke Geldstück auch wirklich in die Sparbüchse hineinzustecken. Es war eine Banksparbüchse, an der es nichts zu manipulieren gab, weder mit Zündhölzchen noch mit Häkelhaken. Als es erst einmal in den Schlitz gesteckt und silbern heruntergeklingelt war, kam die Reue für Lydia zu spät. Aber die alte Dame schickte auch noch einen Zehnmarkschein mit, und dafür sollten die Kinder Fräulein Zögling zum Osterfest eine Schachtel Konfekt oder Kognakbohnen kaufen. Sie liefen zum Stangl, und Fräulein Zögling war über das Geschenk sehr gerührt und versprach, den schönen, mit einem prachtvollen Blumenbild geschmückten Karton ihrer Sammlung von Erinnerungsstücken an besonders brave Kinder einzureihen. —
Leider vergaß die alte Dame, auch Kathi zu bedenken und das versetzte Kathi, die vermeinte, das Selbstgefühl und die Sicherheit der Neuen förmlich schwellen zu sehen, einen schmerzlichen Stich in die Brust. Nicht etwa, daß sie sich etwas aus Süßigkeiten gemacht hätte — eine abgebräunte Kalbshaxe war ihr bedeutend lieber als das süße Geschlamps — aber es war die entgangene Auszeichnung, die sie kränkte, die Ordensverteilung, bei der sie übersprungen worden war. Den Kindern gegenüber machte sie dunkle Andeutungen in dem Sinne: Laßt nur, laßt nur, wer zuletzt frißt, frißt am besten...Und sie lachte dabei dumpf vor sich hin, wie Schreinermeister Deutelmoser vom Greiffinger Theaterverein >D’Wildschützen<, der im >Hubertus< mit großem Erfolg die Heimtücker und Schurken darstellte.
Ja, es war nicht Luisas Ordnung, aber es war eine Ordnung, und Hellwang empfand sie wohltuend und tröstlich. Er versöhnte sich mit Fräulein Zöglings Gegenwart, und nach und nach, es ging schneller als gedacht, schien sie seit undenklichen Zeiten zum Hause gehört und ihren Platz am Tische eingenommen zu haben, an dem sie Söhnchen in dem schwierigen Geschäft, die Gabel zu gebrauchen, hilfreich beistehen konnte. Sie war anspruchslos, tat ihre Pflicht, störte ihn nicht, überreichte ihm zum Monatsersten saubere und klare Abrechnungen, die bis auf den letzten Pfennig stimmten — und hatte die angenehme Gabe, sich zu gegebener Zeit wie der Geist aus
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