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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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bestehen haben.«
    Fräulein Zögling schob die Lippe empor, ein schmaler weißer Zahnstreifen schimmerte auf, in dem ungewissen Licht sah es aus, als lächle sie; »Nun, Herr Doktor, es geht...aber ich muß ehrlich gestehen, daß ich mir das Zusammenleben mit Kathi trotz Ihrer Worte nicht so schwierig vorgestellt hatte, wie es in Wirklichkeit ist. Manchmal erfordert es schon eine recht große Geduld, Kathis Eigenheiten zu ertragen.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, murmelte er.
    »Aber sie ist ja recht tüchtig — wenn auch ein wenig unmethodisch in ihrer Arbeit.« Fräulein Zögling befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze, ihre Stimme bekam einen tastenden Klang, »und ich möchte es unter allen Umständen vermeiden, daß ich mich jemals nach einem Ersatz für Kathi umsehen müßte.«
    Hellwang gab einen Laut von sich, als hätte er einen allzu heißen Bissen in den Mund genommen und als versuchte er nun, ihn in einem Luftstrom auf der Zunge zu kühlen: »Ach, wissen Sie, Fräulein Zögling«, murmelte er und wiegte den Kopf unbehaglich zwischen den Schultern, »das wäre mir doch äußerst unangenehm. Kathi ist nun schon so lange im Hause. Britta war gerade auf die Welt gekommen...« Und mit einem Versuch, das peinliche und unbequeme Thema ins Scherzhafte umzubiegen und endgültig zu verlassen, fügte er hinzu: »Außerdem fehlte mir, ehrlich gesagt, der Mut dazu, es mit Kathi anzulegen. Ich bewundere tatsächlich Ihre Kühnheit, daß Sie mit dem Gedanken zu spielen wagen, Sie könnten diesem gewaltigen Weibsbild vor dem Herrn jemals die Freundschaft aufkündigen.«
    »Nun«, meinte Fräulein Zögling mit einem kühlen Lächeln, »es scheint eben Dinge zu geben, in denen wir Frauen mutiger sind als die starken Herren der Schöpfung. Aber natürlich hoffe ich genau so wie Sie, daß mit Kathi alles in bester Ordnung weitergehen wird.«
    Hellwangs Arbeit gedieh, und das Manuskript wuchs zu ansehnlicher Stärke auf, aber mit der Fortsetzung des Werkes erscholl auch immer häufiger der Ruf nach Fräulein Zögling durch das Haus. Das Fräulein legte beiseite, was es gerade in der Hand hielt, knüpfte die Schürze in fliegender Eile ab, fuhr sich mit den Händen übers Haar, ordnete die Frisur im Nacken mit kundigen Fingern und sprang die Treppe zum Arbeitszimmer empor. Es war nicht Luisas Platz, auf den sie sich setzen durfte.
    »Ach nein, bitte, nehmen Sie doch den Sessel mit den Armstützen«, sagte Hellwang, als sie sich auf dem braunen Sesselchen niederlassen wollte, der Luisas Schatten Vorbehalten blieb. Später lagen immer ein paar Bücher, seine Zigarrenkiste oder die Briefmappe dort, und Fräulein Zögling ahnte nicht, weshalb der Sessel immer belegt war und weshalb sie den Platz auf Hellwangs Wunsch gewechselt hatte.
    Wenn sein Ruf nach Fräulein Zögling durch das Haus hallte, ließ auch Kathi den Teller, den sie gerade abtrocknete, oder das Staubtuch, mit dem sie über die Politur eines Möbelstückes fuhr, sinken. Befand sie sich mit Fräulein Zögling im gleichen Zimmer, so tat sie, als bemerke sie deren eiligen und stets mit einem triumphierenden Blick begleiteten Abgang nicht, einen Blick, der ihr deutlich zu verstehen gab: »Ja, meine liebe Kathi, wir sind zwar noch nicht elf Jahre im Hause, aber wir haben uns in den wenigen Monaten, die wir hier leben, immerhin wichtig und unentbehrlich gemacht, was man von anderen Leuten vielleicht nicht ganz sicher sagen kann!« — War Kathi allein, dann machte sie ihrem Herzen Luft, lauschte dem Geklapper von Fräulein Zöglings hohen Absätzen und begleitete jede Treppenstufe, die jene nahm, mit einem kernigen Wort aus der Sphäre ihres Vaters, der als Polier bei Heilmann & Littmann im Tiefbau beschäftigt war. >Brich dir den Hals, Luder!< war noch der sanfteste Wunsch, den sie Fräulein Zögling nachsandte...
    Kathi beobachtete Hellwang und das Verhältnis, in dem er zu Fräulein Zögling stand, sehr aufmerksam und sehr genau. Sie hatte zu diesen Beobachtungen ja genug Gelegenheit, bei Tisch, wenn sie die Speisen auftrug, oder am Nachmittag vom Küchenfenster aus, wenn Hellwang und das Fräulein eine Weile im Garten mit den Kindern spielten. Vorläufig konnte sie auch bei schärfstem und mißtrauischstem Zusehen nichts entdecken, was darauf schließen ließ, daß Hellwang das Fräulein etwa begehrenswert fände. Sie mußte zugeben, daß er ihre braunen Knie und die immer blonder werdenden Dauerwellen so gänzlich übersah und ihren körperlichen Reizen

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