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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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gegenüber so kühl blieb, als breite sich dort eine Holzfigur im Liegestuhl aus. Aber die Mannsbilder waren ja so blöd, daß man sie nie aus den Augen lassen durfte. Besonders nicht, wenn da eine war, die so geduldig und hartnäckig zu warten verstand wie die Neue. Die saß wie eine Spinne am Netz und lauerte nur auf das Zucken des Signalfadens. Und einmal mußte es ja doch dazu kommen, daß er im Netz zappelte, ganz gewiß — oder Kathi kannte die Männer nicht. Und das konnte man ihr nun wahrhaftig nicht nachsagen! Der Oberst Habedanck war über siebzig und leckte sich trotzdem noch die Lippen, wenn er das Fräulein entdeckte, und auch der Direktor Beyerlein starrte ihr über den Zaun nach, daß seine Gattin scharf husten mußte, um ihn an seine Rosenkulturen zu erinnern. Und Hellwang — war ein Mann von achtunddreißig Jahren, und was für ein Mann! Kathi spürte selber ein kleines Zittern im Herzen und eine Schwäche in den Knien, wenn sie an seine breiten Schultern und an sein braunes Gesicht dachte und an seine tiefe Stimme, die so sanft war und einem durch und durch ging...
    Sie gab sich nie darüber Rechenschaft, weshalb sie eigentlich das Fräulein mit solch grimmigem Eifer verfolgte und weshalb sie die Neue so inbrünstig zum Teufel wünschte. Hätte Hellwang sie gestellt und gefragt: »Also los, Kathi, nun einmal heraus mit der Sprache! Was paßt Ihnen an Fräulein Zögling nicht?« so wäre ihre Antwort wohl bald in einem undeutlichen Gestotter zusammengebrochen. Sie hatte es eben >im G’fui<, und sie verließ sich auf ihr Gefühl so blind wie ein Seemann auf seinen Kompaß. Das Fräulein Zögling konnte noch so harmlos tun, Kathi war felsenfest davon überzeugt, daß sie hier den Platz der verstorbenen Gnädigen einnehmen wollte. Und wenn es etwas gab, was sie ganz sicher wußte, so war es das eine, daß die hier nicht hineinpaßte. Gar nie! — Das hatte wenig oder gar nichts mit Kathis Abneigung gegen alles zu tun, was von jenseits des Weißwurstäquators ins Bayernland kam — mit Ausnahme der Hellwangs natürlich! Und überhaupt, so unangenehm waren die Preußen gar nicht. Mit einem von ihnen, einem flotten Waschmittelvertreter aus Wuppertal, hätte Kathi beinahe einmal angebandelt, wenn der Unglücksmensch nicht versucht hätte, mit ihr bayerisch zu reden. Aber als er zu ihr >mein Geschmacherh sagte, da war es natürlich aus.
    Doch die Neue — die war eiskalt und berechnend hochmütig und lieblos, auch wenn sie mit den Kindern noch so schön tat. Mein Gott, der Doktor würde sich umschauen, wenn er die zur Frau nähme — und erst die Kinder!

DIE ZÜNDSCHNUR BRENNT

    In den Ferien wurde Söhnchens Gitterbett aus dem Elternschlafzimmer herausgenommen und in das Zimmer der Mädels gestellt. Das war schon früher so gewesen, als Luisa noch lebte, und so wurde es auch jetzt gehandhabt, seit Konrad Hellwang das große Schlafzimmer nur noch mit dem kleinen Mann teilte. Für Söhnchen war dieser Umzug immer ein aufregendes Ereignis, fast wie Ostern oder Weihnachten. Seine Frage: »Wann is nu endlich Ferien?« wurde von Tag zu Tag ungeduldiger. Hellwang kam diese Umquartierung seines Sohnes sehr gelegen. Jetzt, da das neue Buch sich seinem Ende näherte, kam er selten vor ein oder zwei Uhr ins Bett und schlief dementsprechend bis in den Vormittag hinein, was dem Sohn, der ein ausgesprochener Frühaufsteher war, durchaus nicht paßte. Jeden Morgen, von sechs Uhr an, gab es Bitten, Beschwörungen und schließlich fürchterliche Drohungen, unter deren Druck sich der Kleine aber doch nie länger als eine knappe Stunde ruhig verhielt. Wenn er die Schwestern wispern hörte, die sich um diese Zeit auf den Schulweg machten, war er nicht mehr zu bändigen und knisterte und knitterte so lange herum, bis aus Hellwangs Bett ein gequältes, wütendes >Raus!< ertönte. Dann packte Söhnchen seine Siebensachen zusammen und wurde zumeist schon an der Tür von Kathi in Empfang genommen. Gewöhnlich stellte sich dann heraus, daß er einen Strumpf oder einen Schuh vergessen hatte, worauf der sehr muntere kleine Mann durch emsiges Suchen dem sehr müden großen Mann noch einmal verzweifelte Donnerworte entlockte.
    An diesem prächtigen Ferienmorgen erwachte Söhnchen schon in aller Herrgottsfrühe. Ja, wahrhaftig, die Ferien waren da. Er brauchte nur ein wenig den Kopf zu drehen, dann sah er die Betten seiner Schwestern und sogar ein wenig von ihnen selbst, von Lydia einen Fuß, der eine freche, hartnäckige Fliege

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