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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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einem schwierigen Problem gegenüber, die Kanne abzustellen.
    »Um Himmels willen, was machen Sie denn da?!« fauchte er sie an, als sie sich anschickte, eine Ecke frei zu machen, indem sie die Bücher schloß und übereinanderstapelte, »auf dem Schreibmaschinendeckel ist doch Platz genug!«
    Sie stellte das Tablett gänzlich verschüchtert ab. Hellwang trommelte ungeduldig gegen die Fensterscheibe. »Ach, bitte«, sagte er scharf, »setzen Sie den Kaffee das nächste Mal doch wie gewöhnlich draußen ab!«
    »Verzeihung«, stotterte Fräulein Zögling und hob wie Britta, wenn sie gescholten wurde, die rechte Schulter empor, »ich wollte Sie nicht stören, Herr Doktor — ich wollte Sie bei dieser Gelegenheit nur um ein Buch bitten...aber nun, oh, Verzeihung...das Lesbare aus der Greiffinger Leihbibliothek habe ich nämlich schon längst gelesen...« Sie war schon an der Tür und hielt den Drücker bereits in der Hand, um lautlos zu verschwinden. Hellwangs Stimmung schlug plötzlich um, und sein abweisender Ausdruck änderte sich augenblicklich.
    »Oh«, rief er bestürzt und ehrlich erschrocken, daß gerade in seinem Hause ein Mensch geistiger Nahrung entbehren mußte, »aber liebes Fräulein Zögling, weshalb haben Sie das nicht schon längst gesagt und weshalb sind Sie nicht längst zu mir gekommen?!« Er schaltete die Deckenbeleuchtung ein und schloß sekundenlang die geblendeten Augen, ehe er ans Bücherregal trat: »Bitte, suchen Sie sich doch etwas aus, oder darf ich Ihnen bei der Wahl behilflich sein? Was lesen Sie denn gern? Drüben stehen Tagebücher und Memoiren werke, in den unteren Fächern finden Sie historische Romane. Hier habe ich die schöne Literatur untergebracht, moderne, aber auch ältere Autoren, eine Menge Engländer und Amerikaner. Kennen Sie Hamilton Basso, Davis Grubb oder Leon Uris...«
    »Ich habe den >Exodus< gelesen. Die anderen Autoren kenne ich nicht...«
    »Sie lesen gern, wie?« fragte er freundlich.
    »In jeder freien Minute. Gute Bücher waren von jeher meine Leidenschaft. Ich kenne kein größeres Vergnügen...« Sie ging zwei kleine Schritte am Regal entlang und entdeckte die Romane von Joseph Conrad. Es war eine komplette Ausgabe. »Oh, wenn ich um >Lord Jim< bitten dürfte«, rief sie, »Joseph Conrad gehört nämlich zu meinen Lieblingsautoren...«
    Hellwang zog den Band heraus und strich mit zwei Fingern über den ledernen Buchrücken.
    »Dann will ich Sie auch nicht länger stören...«
    »Oh, Sie stören mich gar nicht so sehr«, murmelte er und starrte auf die verblaßten Goldbuchstaben des Einbandes. »Ich sitze augenblicklich mit meiner Arbeit fest, ja, solch ein Werk hat immer seine Untiefen und Sandbänke, verstehen Sie...Manchmal läuft man auf und weiß dann lange nicht, wie man das gestrandete Schiff wieder flott machen soll...« Er blinzelte in das überhelle Deckenlicht, das er fast nie gebrauchte. »Sie gestatten, daß ich die große Lampe ausschalte, das Licht tut meinen Augen weh.«
    »Bitte, Herr Doktor, lassen Sie mich das doch tun«, und sie lief zum Schalter und drehte die hundertkerzige Birne ab. Das Zimmer sank in warmes Halbdunkel zurück, nur auf dem Schreibtisch lag ein heller Lichtkreis. Hellwang legte >Lord Jim< auf die Conrad-Ausgabe zurück.
    »Darf ich fragen, woran Sie augenblicklich arbeiten, Herr Doktor?« fragte sie zaghaft.
    »Das Buch soll >Lorbeer für fremde Fahnen< heißen...«
    »Ein schöner Titel!«
    »So, gefällt er Ihnen? Nun ja, ich finde ihn ausnahmsweise auch recht gelungen. Ein glücklicher Einfall einer guten Stunde. Buchtitel zu erfinden ist sonst nicht meine starke Seite. In dieser Hinsicht hat mein Freund Vollerthun eine glücklichere Hand als ich.«
    »Und wovon handelt das Werk?«
    »Können Sie mit dem Namen von Friedrich Steuben etwas anfangen? Verbinden Sie damit einen Begriff?«
    »Ich weiß nur«, antwortete sie zögernd, »daß er im Unabhängigkeitskrieg eine bedeutende Rolle spielte und daß es in den Vereinigten Staaten einen Steuben-Bund gibt.«
    »Trösten Sie sich«, sagte er heiter, »von hundert Leuten wüßten achtundneunzig wahrscheinlich nicht so viel wie Sie über den guten alten Steuben zu berichten.« Er bemerkte, daß sie noch immer vor dem Bücherregal standen und rückte ihr einen Sessel in der Plauderecke zurecht: »Bitte, setzen Sie sich doch — das heißt natürlich, falls Sie nichts Wichtigeres zu tun haben, als mit mir über meinen eingefrorenen Steuben zu reden.«
    »Oh, es interessiert mich

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