Die drei Hellwang-Kinder
hob überrascht den Kopf: »Was ist denn das für ein merkwürdiger Ton?« fragte sie und runzelte ungnädig die Augenbrauen.
»Weil’s wahr is!« sagte Lydia störrisch, »Sie können ja unsern Pappa fragen oder die Kathi, wenn Sie’s nicht glauben wollen!« Es war etwas von der Wildheit durchgehender Fohlen in ihrem Ausdruck. Und plötzlich flammte auch Britta auf, die sanfte, ängstliche Britta, die sonst den Kopf zwischen die Schultern zog und ein piepsiges Stimmchen bekam, wenn sich auf Fräulein Zöglings Stirn Unmutsfalten zeigten.
»Immer haben wir in den Ferien spielen dürfen und baden und tun, was uns Spaß machte, immer, als unsere Mammi noch lebte, und erst, seit Sie da sind, müssen wir lernen und rechnen und haben überhaupt keine Freud’ an den Ferien mehr. Und die Kathi hat auch schon gesagt, daß es so kommen wird, und...« Britta empfing von Lydia einen fürchterlichen Stoß gegen das Schienbein und brach plötzlich ab, während über ihre Wangen zornige Tränen ins Müsli tropften.
Fräulein Zögling war blaß geworden.
»Ach, wie interessant!« zischte sie und schien die schmalen Lippen beim Sprechen kaum zu bewegen, »aus der Küche weht also dieser Wind der Rebellion gegen meine Anordnungen! Nun, es wird höchste Zeit, daß ich mit euerm Vater ein ernsthaftes Wort über Kathi rede! Was sie sich herausnimmt, ist ja unerhört!« Sie warf einen Blick auf ihre winzige Armbanduhr und erhob sich plötzlich, sie stützte sich mit den Knöcheln der geballten Faust auf den Tisch.
»Erzogen werdet ihr von mir und von niemandem sonst, habt ihr mich verstanden?! Und über Spielzeit und Arbeitszeit entscheide ich und niemand anders, verstanden! Und am allerwenigsten hat Kathi ein Recht dazu, sich in meine Angelegenheiten zu mischen und euch gegen mich aufzuhetzen. — Kathi — tschi! Es ist ja wirklich unglaublich, was diese Person sich erlaubt!« — Es war so unglaublich, daß Fräulein Zögling das Zimmer mit klirrenden Schritten verließ und schnurstracks in die Küche hinüberrannte, um solch unerhörte Übergriffe in ihre ureigensten Rechte von vornherein für Gegenwart und Zukunft abzustellen.
»Au weh, jetzt schnackelt’s«, wisperte Lydia verstört, »jetzt schebbert’s im Geschirrschrank! Was mußtest du auch die Kathi ‘neinbringen, du saublöde Gans, du?«
»Ich wollt’s ja gar nicht, es ist mir halt so rausgerutscht«, schluchzte Britta. Sie saß ganz klein wie ein Häufchen Unglück auf ihrem Stuhl.
»Jetzt heulst Rotz und Wasser«, sagte Lydia erbittert; »hättest dei’ Goschn g’halten, bräuchtst net z’röhrn... «
Kathi war nicht in der Küche. Kathi zog im Kinderzimmer Söhnchen die stolzen Krachledernen an, als Fräulein Zögling heranrauschte. Kathi sah die weiße Nasenspitze und die flackernden Augen des Fräuleins und wußte sofort, daß der Sturmball aufgezogen war. — Beim Anblick der gewaltigen Arme aber, an denen die Hände rot wie glühende Schmiedezangen hingen, und im Angesicht der steinernen Ruhe, mit der Kathi sich zu voller Größe aufrichtete, um den ersten Stoß abzufangen, bekam der Zorn von Fräulein Zögling einen erheblichen Dämpfer. Sie atmete tief auf, sie zwang sich dazu, die Luft dreimal tief und ruhig in die Lungen zu saugen und mit langen Stößen auszuatmen. Dann erst warf sie den Kopf zurück und eröffnete das Gefecht.
»Wie ich soeben den Reden der Kinder entnehmen mußte, haben Sie sich unterstanden, an meinen Erziehungsmaßnahmen vor den Kindern Kritik zu üben. Ich muß mir das ganz energisch verbitten! Für die Erziehung der Kinder und für ihr Fortkommen in der Schule bin ich verantwortlich, ich ganz allein, und ich muß Sie dringend ersuchen, sich nicht in meine Angelegenheiten einzumischen. Diese Dinge gehen Sie nichts an, und davon verstehen Sie auch nichts. Aber ebenso dringend warne ich Sie davor, die Kinder gegen mich aufzuhetzen!« Sie sprach schneller und immer schneller, auf ihren Wangen glühten rote pfenniggroße Flecke und ihre Hände zappelten nervös in der Luft herum. Kathi hielt die Fäuste in die Hüften gestemmt. Sie steckte den Kopf ein wenig vor und musterte das Fräulein von oben bis unten, und von unten kroch dieser unbarmherzig prüfende Blick zollweise wieder nach oben und verhielt genau auf der Nasenspitze von Fräulein Zögling. Söhnchen saß stumm dabei und verfolgte die Szene mit großen, runden Augen. Ihm schien um Kathi nicht im mindesten bange zu sein.
»Ich habe mit Ihnen lange genug Geduld
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