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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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gehabt«, fuhr Fräulein Zögling mit schriller, hoher Stimme fort, »lange genug, hören Sie?! Aber jetzt ist meine Geduld erschöpft, und das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit, wenn Sie es sich noch einmal erlauben sollten, die Kinder gegen mich aufzuwiegeln, dann werde ich nicht eine Sekunde länger zögern, Herrn Doktor Hellwang über Ihr empörendes Benehmen aufzuklären!«
    Kathi fuhr sich mit dem Zeigefinger unter der Nase weg. Es geschah mit einem lauten Schnarchgeräusch, das unsägliche Gleichgültigkeit und Verachtung ausdrückte.
    »Ja, das tun Sie nur, Fräulein, tun Sie es möglichst bald, am liebsten gleich! Aber vergessen Sie dabei, bittschön, nicht, dem Herrn Doktor auch zu erklären, warum die Kinder allweil über dem Schulkrampf hocken müssen. Damit Sie nämlich Zeit haben, Romane zu lesen und Wuggerl in die Haare zu dröhnen, und Fingernägel zu feulen, und dem lieben Herrgott den Tag zu stöhlen. Das vergessen Sie ja nicht, dem Herrn Doktor zu sagen. Und weshalb Sie auf einmal« — und Kathi kicherte hämisch — »auf Ihr wertes Äußeres so viel Wert legen — denn wie Sie hergekommen sind, da haben Sie nämlich ausgeschaut wie eine vom Dritten Orden, die wo unterm G’wand ein kratzendes Nesselhemd auf der nacketen Haut tragen. Aber das tragen Sie nicht mehr, sondern Spitzenunterwäsche! Und weshalb Sie die tragen, das können Sie ja dem Herrn Doktor auch gleich erklären. So, und jetzt muß ich an die Arbeit gehen, ich habe nämlich nicht so viel Zeit wie Sie, haben Sie verstanden?«
    Und das alles brachte Kathi ganz ruhig, fast heiter vor, und in sauberem, zierlichem Schriftdeutsch, damit dem Fräulein ja auch nicht nur eine einzige Silbe verloren ginge. Und als sie fertig war, ging sie an dem Fräulein vorbei, und es war, als wehe der Luftzug, den sie verursachte, das Fräulein wie ein welkes Blatt zur Seite, und es war ferner, als ließe ihr Abgang ein Vakuum zurück, in dem das Fräulein mühsam nach Atemluft ringen mußte, um nicht elend zu ersticken.
    Die Kinder sahen Fräulein Zögling ins Eßzimmer stürzen, nach ihrer Tasche greifen und so eilig verschwinden, als würde sie von den Furien gejagt.
    »Du, sie hat vergessen, uns Aufgaben zu geben«, flüsterte Lydia, als könne sie das Wunder noch nicht recht begreifen. Britta kratzte sich die Wange und machte ein unbehagliches Gesicht.
    »Hast du sie angeschaut? Ganz schneeweiß ist sie gewesen und gezittert hat sie, als ob sie ein Gespenst gesehen hätt’.«
    »Ob die Kathi ihr eine Watschn gegeben hat?« rätselte Lydia, in ihrer Stimme klang eine geheime Hoffnung mit, daß es so gewesen sein möge. Sie schlichen gemeinsam zur Tür und lauschten auf den Flur hinaus. Das Haus war totenstill. Sie tappten durch die Diele und öffneten leise die Küchentür. Und da saß Kathi am Tisch, das Gesicht in die Hände gestützt, und rührte sich nicht und regte sich nicht. Aber sie sah die Kinder aus kalten, bösen Augen an.
    »Was hast, Kathi?« fragte Lydia ängstlich.
    »Fehlt dir was, Kathi?« fragte Britta bang.
    Kathi schaute durch die Kinder hindurch, als wären sie aus Glas. »Mit Ratschn mag i nix zu tun haben!« sagte sie kurz und warf das Kinn mit einem scharfen Ruck empor. »Schmust’s euch nur weiter bei euerm feinen Fräulein an und erzählt ihr vielleicht noch etwas, was ich zu euch gesagt hab’.« Und als sie dieses Mal das Kinn vorstreckte, da hatte die Bewegung nur einen Sinn und der hieß: Raus! Raus mit euch, jedes weitere Wort ist überflüssig und reine Zeitverschwendung — für mich seid ihr gestorben!
    Die Kinder schlichen mit krummen Rücken davon, wie geprügelte Hunde, stumm und ohne Widerrede und ohne ein Wort zu ihrer Entschuldigung zu sagen. In ihrem Zimmer saß Söhnchen auf dem Fußboden und hatte sich die Sandalen verkehrt angezogen. Er streckte Britta gebieterisch die Füße entgegen, und sie kniete neben ihm nieder und brachte die Sache in Ordnung.
    »Hat’s was gegeben zwischen der Kathi und der Sieglinda, Söhnchen? Sag’s mir schon...!«
    »Was meinst?«
    »Ob die Kathi und die Sieglinda miteinander gestritten haben, will ich wissen«, flüsterte Britta.
    »Das Fräulein hat gestritten — aber die Kathi nich, und dann is das Fräulein ‘nausgerannt, und die Kathi is auch gegangen.« Mehr wußte er nicht zu erzählen.
    »Pfüetigod, i weiß schon alles, wie’s kimmt, wenn die Kathi an
    Zorn auf uns hat«, jammerte Lydia, »koa Pudding und keine Mehlspeis, kein Kompott und kein

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