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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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ernst und sachlich, »daß wir das Blondirol ausschütten und dafür Lack hineintun. Du, was glaubst, was das gibt?« Die Sieglinda zerspringt vor Wut. »Und rauskriegen aus dem Haar tut sie den Lack nie! Ich hab’ ihn mal an den Fingern gehabt, der pappt unbändig, und mit Wasser ist da überhaupt nix z’machen, nicht einmal mit Seife!«
    »Und wann meinst, daß wir’s machen?« fragte Britta fiebrig. Ihre Lippen waren so trocken und spröd, daß sie sie belecken mußte.
    »Sofort natürlich, ehe sie aus der Stadt zurückkommt! Da dürfen wir nicht lange warten, so eine gute Gelegenheit kommt nicht so bald wieder.«
    Sie hatten durchaus nicht die Empfindung, daß das, was sie zu tun sich anschickten, eine Lausbuberei war, ein Streich, der sich würdig in die Geschichten von »Max und Moritz« eingefügt hätte. Sie nahmen den Kampf gegen das verhaßte Fräulein Zögling mit den Mitteln auf, die sie für wirksam hielten, und es war ihnen dabei ungeheuer ernst zumute. Ihre Gesichter glühten vor tapferer Entschlossenheit, den Kampf aufzunehmen und furchtlos bis zum erfolgreichen Ende durchzuführen — oder unterzugehen. Was mußte geschehen sein, wenn sogar Britta alle Ängstlichkeit abwarf und sich kopfüber in die Verschwörung stürzte!
    Sie gingen mit Gesichtern, die vor Harmlosigkeit und Biedersinn trieften, ins Haus zurück. Ein Glück, daß sie Kathi nicht begegneten, denn die kannte ihre Pappenheimer genau. Hellwang, der seinen Töchtern in der Diele begegnete, kannte sie weniger gut. Er war auf dem Wege zum Badezimmer und sah zerstrubbelt und zerzaust aus. Er hatte gestern zu viel geraucht und war wieder einmal fest entschlossen, die Zigaretten zu rationieren und sich die erste auf keinen Fall vor dem Mittagessen zu genehmigen.
    »Na, ihr Strolche, wohin des Wegs?«
    »Auf den Speicher«, entgegnete Lydia mit Unschuldsmiene, »wir wollen mal in der Kramkiste nachschauen, ob die Gummiringe noch drin sind.«
    Hellwang gähnte herzhaft und reckte die Arme: »Ach, Kinder, noch vierzehn Tage, dann mache ich auch Ferien. Und dann geht’s auf beim Schichtl! Dann fahren wir zum Baden nach Starnberg und nach Hellabrunn in den Tierpark, und ins Kino gehen wir natürlich auch...«
    »Pfundig, Konni, pfundig!« Die Kinder vergaßen für einen Augenblick ihre finsteren Pläne und hüpften um ihn herum. Baden war gut, und Tierpark war gut, aber ihre große Leidenschaft war doch das Kino. Wenn es im Greiffinger >Filmpalast< einen Streifen gab, der für Kinder freigegeben war, dann wurden sie lästig wie die Bremsen und gaben nicht eher Ruhe, als bis sie die Erlaubnis erhielten, die Sonntag-Nachmittag-Vorstellung zu besuchen.
    »Ist Fräulein Zögling in die Stadt gefahren?«
    »Ja, Vati, sie wollte zum Mittagessen zurück sein...«
    Hellwang hob verabschiedend die Hand: »Alsdann — schwingt’s euch.«
    Die Kinder belächelten seinen zaghaften Versuch, bayerisch zu sprechen, nachsichtig und trollten sich davon. Britta ließ ein wenig den Kopf hängen. Es ging ihr irgendwie gegen den Strich, daß der Konni trotz der frühen Morgenstunde so nett zu ihnen gewesen war. Was sie zu tun vorhatten, wäre ihr leichter geworden, wenn er seine gewöhnliche knurrige Morgenlaune gezeigt hätte. Lydia war aus härterem Holz geschnitzt. Sie überzeugte sich durch einen raschen Blick in Fräulein Zöglings Zimmer, daß es schon aufgeräumt war und daß sie eine unliebsame Entdeckung durch Kathi nicht zu befürchten hatten. Mit einer Sicherheit, die darauf schließen ließ, daß sie den Inhalt der kleinen Biedermeier-kommode sehr genau kannte, zog sie das mittlere Schubfach auf und holte aus der Tiefe ein halbgefülltes, rot etikettiertes Fläschchen hervor. Auf dem Etikett war eine junge Dame abgebildet, die in einer Art von Nachtgewand aus feinem Schleiergespinst auf einem sehr spitzen und steilen Felsen saß, träumerisch in die Feme blickte und dabei ihr Haar kämmte. Ihr Haar aber stürzte wie eine umgekippte Fuhre Stroh in die Tiefe hinab. Und dort kniete ein junger Mann in der Uniform eines Forsteleven in einem Nachen, führte eine Strähne der gelben Strohflut an seine Lippen und blickte sehnsüchtig zu den nackten Füßen der jungen Dame empor. Darunter stand in Goldbuchstaben: Schutzmarke Loreley.
    Lydia goß den ganzen, etwas öligen Inhalt des Fläschchens kurzentschlossen in das Waschbecken und spülte mit heißem Wasser gründlich nach. Dann verschwanden beide Kinder für kurze Zeit auf dem Speicher. Wenige Minuten

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