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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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zu, »daß es ihr wegen der Sieglinda raucht? Weil die ihr anschafft und befiehlt, grad als wenn sie die Luisa wär, verstehst?«
    »Ich versteh nur eins nicht«, meinte Britta verzagt, »weshalb sie dann mit uns grantelt, wenn sie einen Rochus auf die Sieglinda hat.«
    »Weil die Kathi halt denkt, daß wir zur Sieglinda halten und nicht zu ihr.«
    Britta hob ratlos die Schultern. Sie hatte den Badeanzug inzwischen bis zum Nabel hochgezogen und ließ das Nachthemd wieder niederfallen: »Wenn doch die Sieglinda allweil sagt, daß wir nicht so viel in der Küche umeinanderhocken sollen.«
    »Ja mei, ‘s ist halt ein rechtes Kreuz!« seufzte Lydia niedergeschlagen, »die hackln sich — und wir fressen’s aus.« Sie tat einen schweren Schnaufer wie ein achtzigjähriges Spitalsweiberl, dem die Last der Erde allgemach zu schwer wird.
    Britta hockte sich auf den Bettrand, sie zog die Knie bis ans Kinn empor und strich das lange Hemd über den Beinen glatt. Ihr kleines, blondes Gesicht war seltsam ernst. Wie eine winzige Erwachsene saß sie vor ihren jüngeren Geschwistern. — »Es g’freut mi nimmer...«, sagte sie plötzlich leise, als spräche sie zu sich selbst.
    »Was?« fragte Lydia und sah ihre Schwester etwas verwundert an, »was freut dich nimmer?«
    Britta zögerte sekundenlang, sie suchte nach dem richtigen Wort. — »Das Leben, weißt —«, murmelte sie schließlich mit einer kleinen, unbestimmten Handbewegung. Sie errötete dabei ein wenig. Wahrscheinlich geschah es zum erstenmal in ihrem elfjährigen Dasein, daß sie solch ein verwunderliches Geständnis aussprach und hinter dem Wort >Leben< all die dunklen Rätsel und Geheimnisse ahnte, die es umschloß. Lydia hob verständnislos die Schultern und starrte sie an. Britta konnte es ihr nicht erklären, was sie spürte. Es war wie ein Schmerz. Manchmal stach er deutlicher, manchmal schwächer, und sie wußte auch nicht zu sagen, wo er saß, und am wenigsten hätte sie sagen können, wo er herrührte. Am lautesten empfand sie ihn manchmal abends. Wenn sie wach im Bett lag und auf den Schlaf wartete, geschah es, daß ihre Augen sich in der Dunkelheit mit Tränen füllten. Es war ein Gefühl der Verlassenheit, aber sie konnte ihm keinen Namen geben.
    »Was denkst nach, Britta?«
    Britta schrak leicht zusammen. — »Meinst du, daß das stimmen tut, was die Kathi vorhin gesagt hat?«
    »Die hat viel gesagt...«, murmelte Lydia.
    »Ich mein — daß der Konni die Sieglinda...na, du weißt schon!«
    Lydia kratzte sich nachdenklich mit dem linken Fuß die rechte Wade. Sie erinnerte sich daran, daß der Vater einer Klassenkameradin auch zum zweitenmal geheiratet hatte. Allerdings war deren Mutter nicht gestorben, sondern die Eltern hatten sich scheiden lassen. Ein höchst merkwürdiger Vorgang, zu dem Kathi bissige, aber ziemlich unverständliche Kommentare geliefert hatte. Immerhin gab es also so etwas, daß Leute zweimal heirateten.
    — »Weißt, der Konni ist halt ein Witwer...«, meinte sie vielsagend und mit jenem Genuß, den ihr seltene Worte stets bereiteten, »ein Witwer, verstehst, und die heiraten immer noch einmal. Da kannst nix machen.«
    Britta schloß sekundenlang die Augen und drückte das Kinn gegen ihr Knie. »Wenn der Konni die Sieglinda heiraten tut«, sagte sie nach einer Weile, und es klang wie ein unverbrüchlicher Schwur, »dann reiß ich aus!«
    Lydias Augen flammten auf. »Jessas naa!« stammelte sie atemlos, »und wohin täten wir ausreißen?« Es gab keinen Zweifel, mit dem >wir< zeigte sie deutlich, daß sie sich Brittas kühnen
    Plan in Sekundengeschwindigkeit schon völlig zu eigen gemacht hatte.
    »Zur Omi vielleicht.«
    Aber Lydia schüttelte entschieden den Kopf: »Das war nix! Die Omi tat uns am nächsten Tag zurückexpedieren, dees sag i! Aber ich wüßt was, ich kennet eine, die zu uns halten würd und uns nicht verraten tat — die Tante Trix in Würzburg, wo sie doch Luisas Schwester ist und so...«
    In Brittas Gesicht erlosch der kurze Hoffnungsschimmer. »Ach«, sagte sie niedergeschlagen, »aber wie sollen wir hinaufkommen bis nach Würzburg?«
    »Sechs oder sieben Markl hab ich in dem Sparschwein, wo ich rankommen könnt mit aner Stricknadel.«
    Aber Britta schüttelte den Kopf: »Was denkst du, was das kosten tät! An Fuchzigerstutzen zumindest! — O mei’, das, wenn die Luisa wüßt, die tät die Sieglinda schon ‘naushauen zum Tempel!«
    Lydia nickte beipflichtend: »Und ob sie das tät!« — Sie sah Britta

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