Die drei Hellwang-Kinder
neue Mama?«
Die Mädels brachen in ein Gelächter aus, aber ehe sie dazu kamen, Söhnchen über seinen Irrtum aufzuklären, fuhr Kathi wie von einer Viper gebissen auf ihn los. »Wer hat das gesagt?« keuchte sie atemlos vor Erregung. Söhnchen erkannte, daß er etwas Fürchterliches angerichtet hatte.
»Der Stangl Toni hat mi g’fragt, ob das Fräulein unsere neuche Mamamama is...« er stotterte vor Verlegenheit.
»Und was hast du dem Stangl Toni geantwortet?«
»Ich weiß doch nicht, was sie ist«, antwortete Söhnchen weinerlich. Die Mädels wollten wieder erklärend eingreifen, aber Kathi gebot ihnen mit einer großen Geste Schweigen. Sekundenlang stand sie stumm vor den Kindern, mächtig und unheilvoll, und ihr Blick bohrte sich in weite Fernen.
»Habt ihr das gehört?« fragte sie schließlich wie aus einer Betäubung erwachend, »der Rotzbua woaß nimmermehr, wer sei’ Muatta is!«
Die Mädels nickten beklommen, sie spürten Kathis Blick bohrend auf ihre Gesichter gerichtet. Sie sah Britta und Lydia nacheinander an, prüfend, als wolle sie ihnen bis auf den Grund der Seele forschen, ob sie vielleicht auch schon nicht mehr recht wüßten, in welchem Verhältnis sie zum Fräulein standen. Die Kinder ließen die Prüfung verschüchtert über sich ergehen. Sie standen in ihren weißen Nachthemden, die bis zu den Knöcheln reichten, recht unglücklich da, traten von einem Fuß auf den andern und spähten in Kathis dickes, böses Gesicht, was nun kommen würde.
»Na, wäre das denn so schlimm«, fragte Kathi mit scheinheiliger Freundlichkeit, »wenn euer Pappa noch einmal heiraten täte und wenn ihr eine neue Mutter kriegen tätet?« Sie tröpfelte ihre Worte wie aus einer Flasche über die Kinder hin, aber aus einer Flasche mit einem Totenkopf und zwei gekreuzten Knochen auf dem Etikett. Und sie beobachtete die Wirkung der vorsichtigen Dosis auf die Kinder aus schmalen, verkniffenen Augen.
»Aber doch nicht die Sieglinda!« stammelten Britta und Lydia wie aus einem Mund und tief erschrocken. Kathi holte tief Luft und blies den Atem in einem langen, befreiten Stoß wieder aus.
»Die nicht! Darauf könnt’s euch verlassen!« sagte sie grimmig. »Aber zu mir müßt ihr halten! Zusammen müssen wir halten wie Pech und Schwefel, das sag ich euch — sonst geb ich für nix keine Garantie!« Sie musterte ihre kleine Garde noch einmal, streng und durchbohrend, als nähme sie ihnen ein heiliges Versprechen ab, durchzuhalten bis zum letzten Atemzuge. Die Kinder erwiderten den fordernden Blick stumm und ein wenig bedrückt, als wäre ihnen vieles dabei noch unklar, wonach sie sich aber zu fragen nicht getrauten.
»So, und jetzt zieht euch an, derweil ich euern Kakao koch!« befahl Kathi barsch. Immerhin, daß es Kakao statt der einfachen Milch gab, ließ die Kinder erkennen, daß sie bei Kathi kein Kraut ausgeschüttet hatten. Kathi schickte sie ins Badezimmer und versprach Lydia, daß sie nachher genau nachprüfen würde, ob auch der Hals sauber sei.
»Bees is sie heut, die Kathi, arg bees«, wisperte Söhnchen mit einem geduckten Blick nach der Tür, die Kathi nicht allzu sanft hinter sich geschlossen hatte. Die Mädels suchten ihre Hausschuhe. Brittas waren wie gewöhnlich unauffindbar. Schließlich entdeckte sie einen unterm Spielschrank, der andere blieb verschollen. Lydia saß auf dem Bettrand und rieb vorsichtig mit der angefeuchteten Spitze des Zeigefingers an ihrem Halse herum.
»Heut?« sagte sie achselzuckend und mit einem Seufzer, der sozusagen nach zwei Richtungen gleichzeitig ging und sowohl Söhnchens Feststellung bestätigte, daß die Kathi heut >arg bees< sei, als auch die Tatsache, daß es beim Reiben Röllchen gab und daß das Halswaschen somit nicht länger hinausgeschoben werden konnte. »Ach, allweil is die jetzt grantig, die Kathi — und weißt auch, warum?« die Frage war an Britta gerichtet, die gerade in ihren Badeanzug schlüpfte.
»Warum? Wegen dem Xaver, weil der nimmer kommt.«
»Ach, Schmarrn! Der Xavi ist doch längst basseh, dem weint sie keine Träne nicht nach, hat sie selber gesagt — und daß sie schon einen in Aussicht hat mit einem Merzedes, weil sie das Geschebber von dem alten VW nicht vertragen tut.«
Lydia servierte den Fall Xaver mit einer lässigen Handbewegung ab und schaute sich nach Söhnchen um, aber den interessierte die Geschichte längst nicht mehr.
»Also, was hat sie dann, die Kathi?« fragte Britta.
»Hast es nicht gespannt«, flüsterte Lydia ihr
Weitere Kostenlose Bücher