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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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was sich da eigentlich für eine Tragödie abgespielt hat.« Er blinzelte ins Licht und wartete auf Antwort, aber er stieß auch hier auf eine Mauer des Schweigens und bemerkte plötzlich, daß Fräulein Zögling den Kopf sinken ließ und den kleinen weißen Spitzenball wie einen Knebel an ihren Mund drückte.
    »Oh — oh!« machte er betroffen und streckte die Hände vor, als beabsichtige er, sie aufzufangen, »was haben Sie denn! Was ist denn geschehen? Um Himmels willen...« er war mit einem raschen Schritt bei ihr und nötigte sie mit sanfter Gewalt, sich zu setzen. Er selber blieb vor dem Sessel stehen, ziemlich ratlos und mit unglücklichem Gesicht und brachte dabei irgendwelche Laute in beruhigendem Bariton hervor, als gelte es, ein verirrtes, weinendes Kind zu trösten.
    »Verzeihen Sie«, stammelte Fräulein Zögling mit zitternder, tränenerstickter Stimme, »aber ich kann nicht mehr...ich bin am Ende meiner Kräfte...ich halte das nicht länger aus...«
    Er beugte sich über sie: »Nun beruhigen Sie sich doch erst einmal«, bat er und legte seine Hand auf ihre zuckende Schulter — und atmete etwas verwirrt den herben Duft ihres Haares ein und spürte die Wärme ihrer Haut durch die dünne Seide der Bluse.
    »Ich versuche ja, mich zu beherrschen«, flüsterte Fräulein Zögling mit einem verschleierten Lächeln, das tapfer wirken sollte und so kläglich anzuschauen war, daß Hellwang eine warme Welle ehrlichen Mitgefühls für Fräulein Zögling und einen tüchtigen Grimm gegen Kathi in sich aufsteigen fühlte.
    »Glauben Sie mir bitte, Herr Doktor«, fuhr Fräulein Zögling mit verschnupfter Stimme fort, »ich wollte mir ja nichts anmerken lassen — und ich wollte Sie gerade jetzt, wo Sie für Ihre Arbeit Ruhe so dringend nötig haben, mit diesen Geschichten wahrhaftig nicht behelligen, aber es ging einfach nicht — meine Nerven versagten.« Ihre Lippen zitterten schon wieder vor verhaltenen Tränen, und Hellwang griff behutsam nach Fräulein Zöglings Hand, um sie beruhigend zwischen seinen warmen Händen zu halten und ihr gut zuzusprechen.
    »Sie sind wirklich sehr freundlich zu mir, Herr Doktor«, flüsterte Fräulein Zögling beschämt, als verdiene sie soviel Güte und Anteilnahme gar nicht.
    »Nun ja«, murmelte er und starrte dabei auf die breiten weißen Nagelköpfe, mit denen die Armlehnen des Sessels beschlagen waren, »dazu sind wir ja schließlich da, um uns das Leben gegenseitig leichter zu machen. Ich revanchiere mich sozusagen nur bei Ihnen.«
    Fräulein Zögling schluckte das Kompliment wie Medizin und betupfte sich die Augen: »Ich habe mich in Ihrem Hause sehr wohl gefühlt, Herr Doktor — ich kann es wohl ruhig sagen, so wohl wie nirgends sonst in meinem Leben. Und ich bin doch viel herumgekommen. Die Kinder sind mir richtig ans Herz gewachsen«, ihre Stimme sank zu einem kaum mehr verständlichen Flüstern herab, »ich habe sie geliebt und mich um sie gesorgt, als ob es meine eigenen wären...« Sie zögerte plötzlich, als ginge das, was sie nun sagen mußte, über ihre schwachen Kräfte: »Trotzdem muß ich Sie jetzt bitten, sich nach einem Ersatz für mich umzusehen. — Ich verstehe vollkommen, daß Sie Kathi nicht entlassen können, da sie nun schon so lange zu Ihrem Hause gehört. Ich bin ja noch kein halbes Jahr hier — und es wird Ihnen gewiß nicht schwer fallen, sich wieder an einen neuen Menschen zu gewöhnen.«
    »Um Himmels willen!« fiel Hellwang bestürzt ein, »liebes Fräulein Zögling, was reden Sie da! Nein, das dürfen Sie mir jetzt nicht antun, Sie dürfen mich jetzt nicht im Stich lassen, auf gar keinen Fall! Ich lasse das einfach nicht zu, ich nehme Ihre Kündigung einfach nicht zur Kenntnis! Bitte, denken Sie doch an die Kinder, und bedenken Sie auch, was ich hier ohne Sie anfangen soll!«
    »Sie haben ja Kathi...«
    »Kathi, Kathi!« polterte er los, »warten Sie nur, diesem verdammten Frauenzimmer werde ich Bescheid sagen! — Aber was war denn eigentlich los? Nun möchte ich es wirklich wissen, was es zwischen Ihnen gegeben hat.«
    »Ich weiß ja selbst nicht«, klagte Fräulein Zögling, »womit ich die Behandlung verdient habe, die Kathi mir widerfahren läßt. Ich habe mit allen Mitteln versucht, mich mit ihr gut zu stellen und mich nicht in ihre Kompetenzen hineinzudrängen, aber ich bin bei ihr vom ersten Augenblick an auf eisige Ablehnung und stummen Widerstand gestoßen. Verstehen Sie es bitte recht, nicht auf Beleidigungen, nicht auf offene

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