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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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dadurch, daß sie den Daumen gegen ihren Busen stieß, »fragen Sie lieber das Fräulein, wer sich hier vertragen tut und wer nicht!« Und wer sich hier andauernd beleidigt fühlt und wer nicht. Und wer in die Küche gerannt kam und mit dem ganzen Tratsch angefangen hat! Bitteschön, und dann wird sich ja herausstellen, wer hier Grund hat, sich nicht wohl zu fühlen und einen Diättag einzuschalten, hahaha!« Und dieses Mal lachte Kathi nicht Schreinermeister Deutelmosers dumpfes Schurkenlachen, sondern das zierliche Kichern von der Zistl Fanny, die im Salon Breitinger als Friseuse tätig war und bei den >Wildschützen< die Salondame spielte. Aber Kathi beeindruckte Hellwang damit nicht allzu stark. Er ließ den Sessel auf den Hinterbeinen wippen und warf ihr einen schmalen, mißtrauischen Blick zu, und sein verkniffener Mund schien zu sagen: Kathi, Kathi, wir beide kennen uns nun schon seit langen Jahren, und ich weiß, daß du ein Satan bist, wenn dir jemand nicht paßt.
    »Ich werde selber mit Fräulein Zögling sprechen!« verkündete er schließlich und stellte den Sessel mit ziemlicher Vehemenz auf alle vier Beine.
    »Das tun Sie nur, Herr Doktor«, nickte Kathi beifällig. Ihre fromme Stimme war dabei reine Niedertracht.
    »Und ob ich es tun werde!« schrie Hellwang wütend, »ich werde es sofort tun!« Er ließ Kathi stehen und rannte aus dem Zimmer. Die Kinder zogen die Köpfe ein, als er an ihnen vorüberfügte. Nur Söhnchen blieb gleichmütig. »An Zorn hat er, der Konni, an mächtigen Zorn«, stellte er laut und unbekümmert fest. Sekunden später kam Kathi aus dem Zimmer. Sie marschierte in die Küche hinüber, ohne die Kinder auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Hellwang verhielt für einen Moment, ehe er die Treppe emporstieg. Stunk im Hause, wo er Ruhe brauchte! Herrgott noch einmal, ausgerechnet jetzt, wo er mit dem letzten Kapitel kämpfte, mußte das kommen...Für einen Augenblick empfand er fast ein Gefühl der Bitterkeit gegen Luisa, als ob sie fahnenflüchtig geworden sei und ihn im Dreck stecken gelassen habe. Und dann richtete sich seine dumpfe Empörung gegen das Schicksal, das sich gerade ihn als Opfer auserkoren hatte. Es war ein kindischer Zornesausbruch, töricht und ein wenig komisch, wenn man dte Ursachen bedachte. Aber zum Teufel, hatte er nicht seine Aufgabe, die ihn ganz in Anspruch nahm, die keine Ablenkung vertrug, und vor allem keine so dumme und lästige Ablenkung wie diesen Weiberknatsch! Oder sollte das von nun an etwa ewig so weitergehen, sollte es eine Art Nebenbeschäftigung von ihm werden, zwischen den beiden Weibern den Vermittlungsaugust zu spielen? — Danke!!
    Er klopfte an Fräulein Zöglings Tür und meldete sich: »Ich möchte Sie sprechen, wenn es möglich ist.«
    »Eine Sekunde bitte, Herr Doktor!«
    Er wartete und starrte auf seine Armbanduhr. Aus der Sekunde wurden eineinhalb Minuten, zwei Minuten, innen gab es ein eiliges Hin- und Herhuschen, Wassergeplätscher, Klirren von Glas...Nach zwei Minuten und fünfunddreißig Sekunden öffnete Fräulein Zögling die Tür. Hellwang trat ein wenig geblendet über die Schwelle, die Sonne schien überhell ins Zimmer und der polierte Nickelfuß der kleinen Leselampe, die auf dem Tischchen neben dem Fenster stand, schleuderte ihm Lichtspeere entgegen.
    »Bitte, Herr Doktor, nehmen Sie doch Platz.«
    Er ging etwas ungeschickt, die rechte Schulter vorschiebend, als fürchte er, in dem kleinen Raum ein Möbelstück umzustoßen, zu dem angebotenen Sessel und wartete, daß Fräulein Zögling ihm gegenüber Platz nehme. Jedoch er wartete vergeblich. Fräulein Zögling trat zum Fenster und blieb dort stehen. In der hell einfallenden Mittagssonne waren nur die Umrisse ihrer Gestalt deutlich gezeichnet; ihr Gesicht, in den schimmernden Rahmen des lichtüberfluteten Haares gefaßt, lag im Schatten. Ihre Hände zerrten an einem zusammengeknüllten weißen Spitzentüchelchen. Unter diesen Umständen verzichtete Hellwang als wohlerzogener Mann darauf, sich in dem angebotenen Sessel niederzulassen. Er trat einen kleinen Schritt zurück und lehnte sich gegen die gelbe Biedermeierkommode, auf der das Abschiedsgeschenk des Grafen Idell-Idell leise auf dem silbernen — oder nicht silbernen — Tablett klirrte.
    »Sie können sich gewiß denken, weshalb ich Sie auf gesucht habe, Fräulein Zögling — und da Kathi sich wie gewöhnlich bockbeinig stellte und nichts aus sich herausbringen ließ, möchte ich nun Sie bitten, mir doch zu sagen,

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