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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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wiederholen konnte. —
    Hellwang wanderte erregt und peinlich berührt in dem kleinen Zimmer umher. Er rückte ein Bild gerade, das nicht schief hing und starrte eine Weile auf die Heidelandschaft mit bizarr geformten Wacholdersträuchern und blühendem Erika, die auf dem Bilde dargestellt war.
    »Und was machen wir nun mit diesem unglückseligen Weibsbild, dieser Kathi?« fragte er schließlich und ließ die Arme sinken. Unglückselig — zufällig hatte er da mit einer Redensart doch irgendwie den Kern der Sache getroffen. Denn abgesehen von Kathis unentschuldbarem Benehmen Fräulein Zögling gegenüber mußte man ihr bei der ganzen Geschichte doch — wenn man sich einmal in Kathis eifersüchtig primitive Seele hineinversetzte — mildernde Umstände zubilligen. Er sprach das auch aus, in gewundenen, hingeschraubten Sätzen. Fräulein Zögling hüstelte spröde. Gewiß, Kathis Anhänglichkeit an die Kinder, die sie ja nun von klein auf kannte, durfte man vielleicht als Milderungsgrund gelten lassen. Es kam ziemlich gedehnt heraus, jedoch Hellwang ließ es nicht zu weiteren Ausführungen kommen.
    »Sehen Sie, mein liebes Fräulein Zögling«, sagte er erfreut und erleichtert, »tout comprendre heißt nicht tout pardonner, aber es wirft doch ein milderes Licht über die Dinge, und deshalb denke ich, wir sollten nicht gleich mit dem allerschwersten Geschütz auffahren. Lassen Sie mich Kathi einmal ordentlich ins Gewissen reden und erst, wenn das nichts helfen sollte, dann freilich... « er schloß mit einer säbelnden Handbewegung, die seine Absicht, in diesem Falle reinen Tisch zu machen, deutlich zum Ausdruck brachte. Fräulein Zögling schien zu diesem letzten Versuch zwar wenig Vertrauen zu haben, aber dann war es, als gäbe sie ihrem Herzen einen Stoß: »Nun gut, Herr Doktor, an mir soll es nicht liegen. Ich fürchte jedoch sehr, daß Kathi versuchen wird, alles abzustreiten und die Schuld an diesen unerquicklichen Dingen mir in die Schuhe zu schieben, wie sie es schon heute vormittag tat. Es ist sehr schwer, mit ihr zu reden.«
    »Oh, bitte«, fiel er ein, »ich habe nicht die Absicht, mich auf lange Auseinandersetzungen einzulassen. Was ich Kathi zu sagen habe, ist mit wenigen Sätzen erledigt — was sage ich, Sätze? — mit zwei Worten! Und die lauten Entweder — Oder! Kathi kennt mich sehr genau und weiß, daß ich lange ruhig zuschauen kann, aber sie weiß auch, daß ich kein Freund von halben Lösungen bin, wenn meine Geduld einmal erschöpft ist. Und meine Geduld ist erschöpft und zwar gründlich erschöpft!«
    Fräulein Zögling erhob sich, sie schwankte ein wenig und tastete nach der Armlehne des Sessels, um sich darauf zu stützen. Das arme Geschöpf — sie sah wirklich ganz zerbrochen und mitgenommen aus. »Ich muß mich noch einmal entschuldigen, Herr Doktor, daß ich Ihnen diese Ungelegenheiten bereitet habe.«
    »Kein Wort weiter, liebes Fräulein Zögling!« unterbrach er sie herzlich und nahm ihre Hand und hielt sie lange und spürte bei der Berührung ein durchaus nicht unangenehmes und eigentlich recht wohltuendes Gefühl freundschaftlicher Zuneigung, das sein Herz nach langer Zeit wieder einmal angenehm erwärmte, »und nun werde ich die Sünderin also ins Gebet nehmen. Vielleicht erleben wir einen Fehlschlag. Aber Sie verstehen, nach allem Vorausgegangenen« — er machte eine kleine Pause und Fräulein Zögling senkte den Blick und nickte zart — »möchte ich mir den Vorwurf ersparen, Kathi nicht noch eine letzte Gelegenheit gegeben zu haben, ihren Starrsinn zu ändern und sich in die gegebenen Verhältnisse im Hause einzufügen.«
    Er drückte ihr noch einmal die Hand, verbeugte sich und ging zur Tür. Sie rührte sich nicht von der Stelle, bis er das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich zugezogen hatte. Seine Schritte entfernten sich. Ihr Gesicht nahm plötzlich einen neuen, gespannt lauschenden Ausdruck an. Sie hörte, wie er über das Treppengeländer gebeugt mit lauter Stimme nach Kathi rief und ihr befahl, in sein Zimmer hinaufzukommen, da er mit ihr zu reden habe. Fräulein Zögling warf das feuchte, zerknautschte Tüchelchen wie ein Ding, das seinen Zweck erfüllt hatte und nun nicht mehr benötigt wurde, auf den Sessel. Mit ein paar kurzen, geräuschlosen Schritten eilte sie zur Tür und beugte sich zum Schlüsselloch hinab. Drüben stand Hellwang in der geöffneten Tür seines Arbeitszimmers und wartete auf Kathi. Sein Gesicht lag genau im Profil, die Sohle seines

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