Die drei Hellwang-Kinder
Gitterrost aus den Falzen und kletterte aus dem Lichtschacht ins Freie.
»Wir kommen schon!« schrie sie zurück und zerrte Britta unbarmherzig aus dem Versteck heraus. Britta folgte ihr schlaff und wie betäubt. Fräulein Zögling erwartete sie auf der Terrasse. Sie hatte die Spezln der Kinder bereits heimgescheucht und rückte die Sessel und Liegen an einen zugfreien Platz in der Sonne.
»Ihr wartet wohl immer erst auf eine schriftliche Einladung, wie?« fragte sie schlecht gelaunt und schlug beim Anblick der Kinder die Hände über dem Kopf zusammen, »und wie ihr wieder ausseht?! Als ob ihr unter Kohlensäcken geschlafen habt und noch nie im Leben mit Wasser in Berührung gekommen seid. In euerm Alter hätte ich mich geschämt, noch Verstecken zu spielen. Da habe ich reizende Deckchen gestickt und meiner Mutter tüchtig im Hause geholfen!«
Die Kinder hörten sich die Nörgeleien finster schweigend an. Lydia setzte eine Miene auf, als ekele es sie innerlich vor soviel Bravheit. Britta wischte sich die feuchten Handflächen an ihrem Badetrikot ab und zitterte plötzlich, als habe sie ein eisiger Windstoß getroffen.
»Ihr legt euch nachher in diese Stühle und rührt euch nicht vom Fleck, bis die Haare trocken sind, verstanden? Ich komme später und setze mich ebenfalls zu euch in die Sonne.«
»Jawohl«, sagte Lydia gehorsam. Ihre Stimme war rauh und schrill. In diesem Augenblick trat Hellwang durch die offene Verandatür auf die Terrasse hinaus. Er war im Bademantel und trug einen Turban auf dem Kopf, den er sich aus einem leuchtend gelben Frottierhandtuch um den Schädel gewunden hatte. Draußen nahm er den Turban ab und schüttelte seine Haare wie ein Hund aus.
»Daß Sie mir aber ja auf der Terrasse bleiben, Herr Doktor«, flötete Fräulein Zögling warnend und besorgt, »hier ist es ganz windstill. Denn nichts ist so gefährlich wie Zugluft, wenn man nasse Haare hat. Und seien Sie auch so freundlich, nachher darauf zu achten, daß die Kinder bei Ihnen bleiben, bis ich komme. Ich möchte mir nämlich anschließend auch gleich das Haar waschen und es im Freien trocknen lassen. Sonne ist für blondes Haar ja so gut...«
Hellwang nickte ihr zu, und Fräulein Zögling winkte den Mädeln, ihr zu folgen. Söhnchen durfte noch eine Weile bei seinem Vater bleiben. Lydia zog Britta an der Hand hinter sich her. In der Diele schnupperten sie beide wie auf Verabredung zur Küche hin, aus deren geöffneter Tür unverkennbar bitter scharfe Seefischdünste heranzogen. Ach, wenn sie insgeheim gehofft hatten, Kathi würde ihren Groll an ihnen nicht bis zum äußersten treiben, so wurden sie leider enttäuscht. Kathi vergaß nicht und Kathi verzieh nicht. Erbarmungslos würden dem Kabeljau morgen thüringische Kartoffelklöße mit Zwiebelsauce folgen, und übermorgen todsicher Spinat, gräßlicher, pampiger, grüner Spinat, und zum Abendessen aufgewärmter Spinat oder, schaurigster Gedanke, Mangoldgemüse.
Lydia preßte Brittas Hand, in ihren dünnen Fingerchen steckte eine erstaunliche Kraft: »Verraten wennst was tust...! zischte sie ihr drohend ins Ohr und funkelte Britta aus ganz schmalen Augenschlitzen wie eine wildernde Katze an. Britta schüttelte wortlos den Kopf. Der alte Mut kehrte langsam in ihr Herz zurück, der Mut oder ein taubes Wurstigkeitsgefühl. Mochte wegen der Flaschengeschichte in Gottes Namen auch Blitz, Donner und Hagel über sie hereinbrechen, so schlimm wie Kathis kalte Rache für ihre Schwatzhaftigkeit konnte das übelste Donnerwetter nicht sein, das sie vom Fräulein oder von ihrem Vater her bedrohte. Nein, Kathi mußte versöhnt werden! Das war jedes Opfer, das war sogar ein paar von Konnis zumeist recht linden Hieben mit dem spanischen Röhrl wert.
Fräulein Zögling band die Gummischürze um und ließ warmes Wasser in das Waschbecken laufen. Lydia kam als erste dran. Sie biß die Zähne zusammen und ertrug tapfer und ohne Mucken das Brennen der Seife in den Augen, und auch das schmerzhafte Ziepen an der Kopfhaut, als Fräulein Zögling ihr mit dem Kamm durch die nassen, verzottelten Haare fuhr.
»Du scheinst ja endlich vernünftig zu werden«, meinte Fräulein Zögling, die das übliche Zetermordiogeschrei erwartet zu haben schien. Nach Lydia kam Britta an die Reihe, die die Prozedur stumm über sich ergehen ließ, schließlich kam Söhnchen dran, dem auch kein Strampeln und Schreien half. Bald saßen sie alle drei neben Hellwang in der Sonne. Die Luft kochte über den rotgelben
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