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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Solnhofener Platten. Die Johannisbeeren reiften zusehends, die Sträucher leuchteten schon ganz rot herüber.
    »I moan, de Weichseln werden aa bald zeiti sein«, bemerkte Söhnchen. Hellwang nickte trag. Es bestand keine Veranlassung zu Warnungen oder Drohungen. Die Weichselkirschen hingen für Söhnchen zu hoch am Baum.
    Die Liegestühle der beiden Mädel standen in der Nähe der Verandatür. Wenn Britta den Kopf ein wenig nach links drehte, konnte sie durch die offenen Türen des Hauses bis in die Diele hineinschauen. Sie hörte Kathi in der Küche mit dem Geschirr klappern und sie hörte auch, wie Fräulein Zögling ihr Zimmer verließ, die Treppe hinabstieg und das Badezimmer hinter sich zusperrte. Sie schloß die Augen. In ihrer Vorstellung erlebte sie alles, was jetzt geschah, so deutlich, als hätte das Haus Wände aus Glas. Sie sah, wie Fräulein Zögling die Nadeln aus dem Knoten zog, die ringförmige Unterlage herausnahm, und wie sie das bis auf die Schultern fallende Haar mit einem scharfen Ruck des Kopfes nach vorn schleuderte, wie sie sich über das Waschbecken beugte und die hellen Flechten in die Seifenlösung tauchte, wie sie die Kopfhaut mit den Fingerspitzen massierte, und wie der dicke, sahnige Seifenschaum ihren Kopf in eine weiße Haube hüllte, die in den Spülwassern zerschmolz. Und dann...
    Fräulein Zögling goß die Hälfte des Inhaltes der Flasche mit dem bunten Etikett in eine Untertasse. Sie kämmte das nasse Haar aus der Stirn, scheitelte es in der Mitte und begann die Flüssigkeit mit einer Zahnbürste dort zu verteilen, wo das Haar über der Kopfhaut einen dunklen Streifen erkennen ließ. Sie kämmte es wieder in die Stirn und zog fingerbreit daneben einen neuen Scheitel, um die Prozedur zu wiederholen. Sei es nun, daß der farblose Lack sich zu zäh verstreichen oder daß ihn die Verbindung mit dem Wasser rascher erstarren ließ, jedenfalls hielt Fräulein Zögling plötzlich betroffen inne und rührte die Flüssigkeit in der Untertasse mit der Zahnbürste mißtrauisch auf, tunkte die Spitze des Zeigefingers hinein, rieb ihn gegen den Daumen, roch daran und stieß im nächsten Augenblick auch schon, vielleicht in der Meinung, daß hier mit Gift oder Säuren ein Attentat auf ihre Schönheit oder Gesundheit verübt worden war, einen gellenden Schrei aus.
    Weiß der Himmel, was die beiden Schuldigen erwartet hatten. Mit solch einem furchtbaren, markerschütternden Schrei und den darauf folgenden hysterischen Hilferufen hatten sie keinesfalls gerechnet. Lydia rollte sich vor Schreck wie ein Igel zusammen, und Britta stopfte sich die Finger in die Ohren. Hellwang sprang, wie von einer Hornisse gestochen, aus seinem Liegestuhl auf und rannte an den Kindern vorbei ins Haus hinein, als erwarte er, das Badezimmer in Flammen oder Fräulein Zögling unter den Trümmern einer eingestürzten Decke aufzufinden. Von der anderen Seite eilte Kathi herbei, nicht weniger verstört als Hellwang, und mit einem Tranchiermesser in der Hand, als gelte es, Fräulein Zögling aus den Klauen eines Unholdes zu befreien. Wenn es sich auch um die Neue handelte, die sie nun weißgott nicht liebte, so schien hier doch ein Fall vorzuliegen, bei dem Christenpflicht vor die persönlichen Gefühle ging. Im Badezimmer rauschte laut das Wasser in die Wanne. Fräulein Zögling hatte nämlich beide Hähne zugleich aufgedreht und versuchte unter Jammerlauten, >die Säure< vom Kopf zu spülen, ehe sie ihre zerstörende Wirkung auf Haut und Haare ausüben konnte. Es war leider eine völlig ungeeignete Maßnahme, denn der Lack begann unter der Einwirkung des Wassers zu verharzen, und die Haarsträhnen, die mit ihm in Berührung gekommen waren, verklebten und verwuzzelten sich zu einer filzigen Masse. Draußen rüttelten Hellwang und Kathi an der versperrten Tür und waren schon dabei, den Riegel mit vereinten Kräften zu sprengen, als Fräulein Zögling über dem Wassergeplätscher den Lärm, den sie vollführten, endlich hörte und den Riegel zurückschob. Beinahe hätte es in diesem Augenblick noch ein richtiges Unglück gegeben, denn Hellwang drückte die Schulter so heftig gegen die Tür, daß er, als sie nun plötzlich nachgab, dem Fräulein auf ein Haar den Schädel eingestoßen hätte. Sie fing den Stoß glücklicherweise mit der Schulter ab, aber er warf sie bis auf die Badewanne zurück.
    »Was ist geschehen?!« keuchte Hellwang und wischte sich mit dem Ärmel des Bademantels den Schweiß von der Stirn. Er konnte an

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