Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
Ich starrte darauf und versuchte, mich zu erinnern, warum mir der Name so bekannt vorkam. Ein lang gezogener Piepton erklang, als sich die Türen schlossen und die Bahn abermals in die falsche Richtung losfuhr. Ich stieg an der nächsten Station aus, die auf einen riesigen Parkplatz führte, und beschloss, zu Fuß zur U-Bahn zu gehen; dafür brauchte ich bloß den erhöht liegenden Gleisen des futuristisch anmutenden AirTrains zu folgen. Nach einigen Hundert Metern über den Parkplatz erreichte ich schließlich die U-Bahn-Station.
Nun wartete ich schon seit zehn Minuten und war inzwischen dreimal auf dem Bahnsteig auf und ab getigert, als ein ebenso überfreundlicher wie übergewichtiger Obdachloser anfing, die wenigen Leute, die Gepäck dabeihatten, anzuquatschen. Um ihm zu entgehen, verdrückte ich mich in den nicht überdachten Teil des Bahnsteigs und beschloss, dass dies der passende Moment für meine erste Zigarette seit dem Check-in vor ungefähr achtzehn Stunden am Flughafen Charles-de-Gaulle war. Ich erspähte einen Polizisten, der auf den Obdachlosen zuschlenderte, und ein paar Wortfetzen drangen zu mir herüber. In herablassendem Tonfall informierte er den Mann, dass er keine Lust habe, ihm jede Nacht aufs Neue zu sagen, er solle gefälligst aufhören, die Leute zu belästigen. Dann drehte er sich um und lief weiter den Bahnsteig entlang in meine Richtung. Als ich das Gefühl hatte, dass er nah genug war, nickte ich ihm zu und wünschte ihm einen guten Abend und er erwiderte: »Hey, das Ding da dürfen Sie hier nicht rauchen.«
Ich hob die Hand und blickte verwirrt darauf. »Ist nur eine Zigarette.«
»Ich weiß, was das ist, und Sie dürfen sie hier nicht rauchen.«
»Oh, tut mir leid«, lenkte ich ein. »Ich dachte, hier draußen wäre das okay.«
»Im öffentlichen Nahverkehr ist Rauchen überall verboten.«
»Oh, okay.« In Frankreich hatte ich noch nie erlebt, dass einem das Rauchen im Freien verboten wurde. Plötzlich hatte ich das Gefühl, unendlich weit von zu Hause entfernt zu sein, an einem Ort, dessen Regeln ich nicht kannte. Ich stellte mir vor, wie ich die Zigarette auf dem Boden austreten und der Polizist mich anfahren würde, sie gefälligst aufzuheben, oder mich festnahm oder direkt in den nächsten Flieger nach Hause setzte. »Wo darf ich sie denn dann ausmachen?«, fragte ich.
»Treten Sie sie einfach hier auf dem Boden aus«, erwiderte er.
Ich hätte ja erwartet, dass er auf einer angemesseneren Art, sie zu entsorgen, bestanden hätte. Als ich sie unter meiner Schuhsohle zerquetschte, fielen mir eine ganze Menge weiterer Zigarettenstummel auf dem Boden auf, woraus ich schloss, dass ich wohl einfach Pech gehabt hatte.
»Hey, sind Sie aus England?«, fragte er mich.
»Ja, genau.«
»Dachte ich mir schon bei Ihrem Akzent. Gerade aus London angekommen?«
»Ja«, log ich, weil ich mir einbildete, dass es die Sache nicht unbedingt vereinfachen würde, wenn ich ihm erklärte, dass ich in Paris lebte und seit Jahren nicht in London gewesen war.
»Reisepass dabei?«
»Ja, Moment.«
Während ich in meiner Tasche nach meinem Pass kramte, sagte er: »Will mich nur vergewissern, denn wenn Sie gerade erst aus London angekommen sind, kennen Sie die Gesetze hier vielleicht noch nicht, und dann schreibe ich Ihnen keinen Strafzettel, weil Sie da drüben wahrscheinlich andere Gesetze haben.«
»Ich bin gerade aus dem Flugzeug gestiegen«, versicherte ich ihm und konnte nur hoffen, dass nichts in meinem Pass verriet, dass ich nicht von London aus hergeflogen war, sondern von Paris, was mich als Lügner entlarven würde.
Er sah sich das Visum an, das in meinen Pass geheftet war. »Okay, heute haben Sie noch mal Glück, dass Sie gerade erst angekommen sind, darum schreibe ich Ihnen diesmal keinen Strafzettel.«
»Danke.«
»Aber nächstes Mal muss ich Ihnen einen Strafzettel schreiben.«
»Ja, das sehe ich ein, aber jetzt, da ich weiß, dass es verboten ist, werde ich nicht noch einmal in der U-Bahn rauchen.«
»Das Rauchen ist überall im öffentlichen Nahverkehr verboten.«
»Ja, ich werde nie wieder rauchen, wenn ich mich innerhalb oder in der Nähe eines öffentlichen Verkehrsmittels befinde.«
»Ich mache hier nur meinen Job, damit die Leute sich an die Regeln halten. Wenn sich jeder an die Regeln hält, gibt es auch keinen Ärger und ich bin ein glücklicher Polizist. Sie sind gerade erst angekommen, darum sage ich Ihnen das jetzt, aber Sie sollten wissen, dass Sie beim nächsten
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