Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
Vom Netzwerk:
ich tat es. Eine junge Frau war gerade herausgekommen. Sie wühlte in ihrer Tasche und fing meinen Blick auf. Ich sah auf die Toten an meinen Schuhen, dann wieder zu ihr. Sie kam herüber.
    »Hättest du vielleicht Feuer?«, fragte sie und ich gab ihr mein Feuerzeug. »Danke«, sagte sie und musterte mich, während sie sich ihre Zigarette anzündete. Ich dachte, sie würde vielleicht noch etwas sagen, aber sie schwieg.
    »Weißt du vielleicht, wo der Bryant Park ist?«, erkundigte ich mich schließlich.
    Sie sah sich kurz um und richtete ihren Blick dann wieder auf mich. »Ja.« Ich hatte keine Ahnung, warum sie mich so anstarrte; unangenehm war es nicht. Ich lächelte und sie ließ meinen Blick los.
    »In die Richtung wollte ich auch gerade«, sagte sie. »Ich kann dir den Weg zeigen.«
    Ich stand auf und sie ging vor mir ein paar Stufen hinunter, dann zögerte sie kurz, als sei sie unsicher, wo sie hinmusste. Es dauerte keine Sekunde.
    »Ist es weit?«, erkundigte ich mich und sie blickte sich lächelnd zu mir um.
    »Nein, es ist ganz nah, der Park liegt direkt auf der Rückseite der Bibliothek.«
    Wir gingen langsam um das Gebäude herum und ich hätte gern weiter mit ihr geredet, aber mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können.
    »Bist du Engländer?«, fragte sie, als das Schweigen zwischen uns unangenehm wurde.
    »Ja.«
    »Machst du Urlaub hier?«
    »Nein. Doch. Na ja, so was in der Art.«
    »Du bist dir also nicht sicher.« Ihre Miene blieb unverändert, irgendwo zwischen amüsiert und gleichgültig.
    »Jemand hat hier etwas für mich versteckt und das muss ich jetzt finden. Ist so etwas wie eine Schatzsuche.«
    »Ach, wie nett«, sagte sie.
    »Ja, es ist schon nett«, stimmte ich ihr zu, »aber die Person, die es für mich versteckt hat, ist gestorben, darum ist es auch ein bisschen traurig.«
    Sie blieb stehen – also blieb ich auch stehen – und musterte mich durchdringend. »Gestorben?«
    »Ja. Sie hat mir diese Schatzsuche hinterlassen.«
    Sie blickte mir ins Gesicht, dann auf meine Füße und ich wünschte, ich hätte inzwischen die Toten von meinen Schuhen gewischt. Außerdem wünschte ich, ich hätte mich umziehen können. Und meine Zähne putzen. Dann ging sie weiter.
    »Und das, wonach du suchst, ist im Bryant Park versteckt?«
    »Ja.« Mir war jegliche soziale Kompetenz abhandengekommen. Wie führte man noch gleich ein Gespräch? »Und was willst du im Park?« Die Worte kamen mir so gezwungen über die Lippen, dass ich mir am liebsten einen Tritt in den Hintern versetzt hätte.
    »Pause machen. Vom Arbeiten in der Bibliothek.«
    »Bist du Bibliothekarin?«
    »Nein, Studentin.«
    Wir hatten das obere Ende des Parks erreicht.
    »Weißt du, wo die Statue von William Bryant steht?«
    »Ja, ich glaube, die ist da drüben.« Sie deutete auf ein massiges Steingebilde auf der Terrasse hinter der Bibliothek – ein bogenförmiger Bau, unter dessen Kuppel sich eine sitzende Bronzefigur befand.
    »Cool.« Ich versuchte, das Gespräch am Laufen zu halten. »Was studierst du denn?«
    Aber sie hörte mir gar nicht mehr zu. Ihre Aufmerksamkeit hatte sich anderen Dingen zugewandt. »Ach, Menschen und Essen«, sagte sie. Ich wusste nicht so recht, was ich damit anfangen sollte. Auf jeden Fall klang es interessant. Sie schien interessant zu sein.
    »Tja, danke für deine Hilfe.«
    »Wonach suchst du eigentlich genau?« Sie wollte mich noch nicht gehen lassen.
    »Ich weiß nicht. Mein einziger Hinweis ist die Inschrift auf dem Sockel der Statue.«
    »Welche Inschrift?«
    »Yet let no empty gust of passion find utterance in thy lay. A blast that whirls the dust along the howling street and dies away; but feelings of calm power and mighty sweep, like currents journeying through the windless deep«, zitierte ich und sie grinste mich an.
    »Das steht auf dem Sockel?«
    »Keine Ahnung. Ich war ja noch nie hier.«
    Sie warf einen sehnsüchtigen Blick zu den Tischen und Stühlen im Schatten der Bäume, dann sah sie wieder mich an.
    »Vielleicht sollten wir mal hingehen und nachschauen«, schlug sie vor und machte eine Na-komm-Bewegung mit dem Kopf, während sie sich schon auf den Weg zur Statue machte.
    »Ich würde sagen, ich habe es ziemlich korrekt zitiert«, merkte ich an.
    »Sieht ganz so aus.«
    Ich strich mit der Hand über die gemeißelten Buchstaben und blinzelte dann hoch zu den Falten von Bryants Kleidern, auf der Suche nach einem Ort, wo ein Umschlag versteckt sein könnte.
    »Und, was glaubst du, wo

Weitere Kostenlose Bücher