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Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)

Titel: Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Constable
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Feierabendgetümmel der Bar fielen wir kein bisschen auf. Wir fanden einen freien Tisch in einer Ecke und ich erhaschte im Spiegel einen kurzen Blick auf mich, übertrieben zurechtgemacht (auch aus Gründen der Tarnung) und ausgerüstet mit dem naiven Selbstbewusstsein der Unerfahrenheit. Tracy roch nach Winter und putzte seine beschlagene Brille, dann griff er gierig nach seinem Glas. Seine unruhigen Hände wirkten eine Spur zu weich und jungenhaft, doch an seinen Fingern sah ich Nikotinflecken. Er war nervös. Wahrscheinlich war er schon immer so gewesen.
    Als ich seine Frage nach meiner Arbeit beantwortete, konnte er kaum an sich halten und erzählte mir von seinem Buch. (Interessanterweise log er, was die Handlung betraf.) Ich versprach ihm, die Augen offen zu halten und dafür zu sorgen, dass es auf dem Schreibtisch eines Lektors landete.
    Während die Wärme des Lokals in seine Knochen überging und der Alkohol in sein Blut, begann Tracy sich zu entspannen. Wir plauderten über alles Mögliche, unter anderem über seine Arbeit als Lehrer, von der er das Gefühl hatte, dass sie ihn nicht weiterbrachte. Wir lachten über die Geschichte mit der Unterwäsche und, ohne dass ich ihn dazu drängen musste, entschuldigte er sich für sein Verhalten an dem Tag, als ich ihm gefolgt war. In seiner Stimme lag nicht die Spur eines Vorwurfs. Er war sichtlich betrunkener als ich.
    In diesem Moment hätte ich mich zurückziehen sollen. Ich hatte meinen Spaß gehabt und es mit meiner Mutprobe weit genug getrieben, es gab keinen Grund mehr weiterzumachen. Ich hätte einfach gehen und ihm in der Woche darauf einen Brief schreiben können. Ich hätte ihm mitteilen können, dass ich, sollte sein Buch jemals an die Öffentlichkeit gelangen, als Zeugin aussagen würde, sodass er wegen Unzucht mit Minderjährigen ins Gefängnis wanderte. Doch ein Echo meiner alten Verliebtheit hielt mich zurück. Oder vielleicht war auch mein Ehrgeiz in diesem Spiel erst jetzt richtig erwacht. Ich konnte noch viel weiter gehen.
    Zwei Drinks später begann er zu lallen und ich war auch alles andere als nüchtern. Ich schlug vor, irgendwo etwas essen zu gehen, der Rest ging von ihm aus.
    Als wir hinaus auf die Straße stolperten, verkündete Tracy, ihm sei kalt und er würde gern kurz in seiner Wohnung haltmachen und sich etwas Wärmeres überziehen, wenn ich nichts dagegen hätte. Ich folgte ihm die Treppe hinauf in sein Apartment. Es war eine triste Einzimmerklitsche mit separater Küche und Badezimmer. Das Sofa diente gleichzeitig als Bett und war nicht zusammengeklappt worden. Die Wände verschwanden hinter Bücherregalen.
    Nachdem er die Tür hinter uns geschlossen hatte, drückte er mich sanft gegen die Wand und küsste mich. Es hätte beinahe romantisch sein können; es hätte beinahe die Erfüllung meines Schulmädchentraums sein können. Doch die unterschwellige Aggressivität, mit der er seinen Schritt an meine Hüfte drängte, rief mir ins Gedächtnis, warum ich hier war; wie weit würde ich noch gehen? Er hatte etwas widerwärtig Opferartiges an sich und gleichzeitig etwas Grausames; all das verband sich in meinem Magen zu einem Gefühl von Abscheu. Seine Hände glitten unter meine Kleidung, während er mich langsam zum Bett schob. Mit ungeahntem Geschick entledigte er mich meines Rocks.
    Ich stieß ihn grob von mir weg. Doch es war nicht die energische Geste, die ihn innehalten ließ, sondern der Ausdruck in meinem Gesicht. Dies war der Punkt, an dem ich kapitulierte. Weiter würde ich nicht gehen. Da fing er an zu weinen.
    Staunend stand ich daneben, während er sich schluchzend in seinem Selbstmitleid erging. »Ich sollte sterben«, wimmerte er. »Ich sollte sterben für das, was ich getan habe.«
    Eine Sekunde lang fragte ich mich, ob er irgendwie den Grund meines Auftauchens erraten hatte. Ich war wirklich kurz davor gewesen, einen Rückzieher zu machen, doch jetzt hatte er mich wieder am Haken, hatte den Feigling in mir herausgefordert. Neuer Mut keimte in mir auf. Ich konnte noch weiter gehen. Ich musste es. »Sei nicht zu hart mit dir«, gurrte ich versuchsweise. Ich konnte definitiv noch ein bisschen weiter gehen.
    »Wenn du erst das Buch gelesen hast, dann weißt du, was ich meine«, sagte er.
    »Ich weiß es bereits«, erwiderte ich und ergriff seine Hände. »Ich weiß alles.« Energie schoss durch meine Adern. Ich schlang die Arme um ihn und küsste ihn auf den Hals. »Ich weiß alles.«
    »Ich sollte sterben«, jammerte er

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