Die drei Leben der Tomomi Ishikawa (German Edition)
einen Luftröhrenschnitt hat und trotz des Trainings mit einem dieser Vibrationsgeräte nicht sprechen kann, also stell ihr nicht allzu viele Fragen. Sag ihr, dass dein Name Ben Constable ist und dass du ein Freund von Tomomi Ishikawa bist, dann wird sie dir etwas geben.
Auf einmal bin ich furchtbar müde und tue mir selbst leid. Ich habe Angst, dass du mich hassen wirst. Mein Spiegelbild ist garstig, mein Gesicht ohne jede natürliche Färbung – das Gesicht einer Wilden. Ich liebe dich, wirklich, Ben Constable. Tut mir leid, dass ich dir solchen Kummer bereite.
Butterfly
Ich überprüfte die IP-Adresse. Die Mail war etwa drei Stunden zuvor von New York aus versendet worden. Ich druckte sie aus und steckte sie ein.
Als ich in dem Café ankam, war ich zwanzig Minuten zu spät und hatte ein schlechtes Gewissen, doch Beatrice, die mit einer großen Sonnenbrille auf der Nase auf der Terrasse saß, lächelte mir gut gelaunt entgegen.
»Hey, was liegt an?«, begrüßte sie mich.
»Sehr gut, danke. Und selbst?«, entgegnete ich. »Entschuldige, dass ich so spät bin.«
»Kein Problem. Hey, tut mir leid wegen vorgestern.« Sie schlürfte etwas von ihrem farblosen Getränk durch einen Strohhalm. »Da ging es mir nicht so gut.«
»Schon in Ordnung.«
»Dafür dir heute nicht«, bemerkte sie.
»Ich bin wahrscheinlich gerade nicht sonderlich unterhaltsam.«
»Ach na ja, man kann nicht jeden Tag unterhaltsam sein. Trink erst mal was.«
»Ich überlege, ob ich vielleicht einfach zurück nach Paris fliegen soll.«
»Hast du mit der Butterfly-Geschichte abgeschlossen?«
»Ich weiß nicht.«
»Willst du lieber allein sein? Ich habe immer genug zu tun. Wäre kein Problem.«
»Nein, schon gut. Ich würde nur gern noch eine Sache erledigen. Ist ganz hier in der Nähe, glaube ich.« Ich reichte ihr die ausgedruckte E-Mail von Streetny und sie überflog sie innerhalb weniger Sekunden.
»Das ist ein nettes Plätzchen. Aber ich finde, du solltest dir mal eine Pause von diesem Wahnsinn gönnen. Wenn du deine Sache da erledigt hast, könnten wir ja vielleicht ein bisschen in den Central Park gehen. Da ist es schön und sehr new-yorkerisch und es hat nichts mit Butterfly zu tun. Außerdem sollte jeder Besucher mal da gewesen sein.«
»Klingt gut.« Ich lächelte. »Soll ich mir was zu trinken bestellen oder wollen wir direkt los?«
»Bestell dir ruhig was«, erwiderte sie und musterte mich dann von Kopf bis Fuß. »Hey – dein Gepäck ist angekommen.«
»Jepp.« Ich grinste.
»Du wirkst gleich viel frischer.«
»Danke schön, du bist aber auch nicht übel.«
Auf dem Weg zu dem Garten an der Ecke 6th Street und Avenue B durchquerten wir den Tompkins Square Park.
»Hast du den Schatz an meiner Schule gefunden?«, fragte Beatrice, als hätte sie dafür erst Mut sammeln müssen.
»Ja, war ziemlich einfach.«
»Ging es wieder um einen Mord?«
»Ja.« So unverblümt hatte ich es nicht formulieren wollen.
»Hatte es irgendetwas mit mir zu tun?«
»Du kamst nicht vor. Es ging um ihren alten Englischlehrer.«
»Okay. Wann war das denn?« Sie klang ruhig, aber auch eine Spur besorgt.
»Ich glaube, es war 1997.«
»Okay.«
»Butterfly hat ein Mädchen erwähnt«, fuhr ich fort, »ein bisschen jünger als sie selbst – Jane. Kennst du eine Jane? Sie soll eher unscheinbar gewesen sein und eine Affäre mit dem Lehrer gehabt haben – vor dem Mord natürlich.«
»Natürlich.« Beatrice schwieg so lange, dass ich mich nach einer Weile zu ihr umdrehte und sie ansah. Sie lächelte mich hinter ihrer großen Sonnenbrille an. »Vielleicht sollte ich es mal lesen«, sagte sie dann.
Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich ihr das Notizbuch einfach geben wollte, aber schließlich hatte ich es mitgebracht. Also musste ich etwas in der Art vorgehabt haben, sonst wäre es wohl kaum in meiner Tasche gewesen.
»Einer der Lehrer an meiner Schule wurde, kurz nachdem ich abgegangen war, als vermisst gemeldet. Ich will nicht drängeln oder so, aber ich habe dir ja schon letztes Mal gesagt, dass das alles ein bisschen mehr mit meinem eigenen Leben zu tun hat, als mir lieb ist. Ich würde es wirklich gern lesen, bitte. Ich möchte mich einfach vergewissern, dass ich in der Geschichte höchstens als Statistin vorkomme und nicht die Hauptrolle spiele.«
»Okay.« Ich holte das Buch aus der Tasche und reichte es ihr.
»Du hast es dabei?«
»Ja.«
Beatrice steckte das Buch ein und mit ihm verschwand jeder Anflug von Unsicherheit aus ihrer
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