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Die drei Musketiere

Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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ihm die Stubentür... »Hat jemand einen Brief für mich gebracht?« fragte er lebhaft. – »Hier hat niemand einen Brief abgegeben, Herr«, versetzte Planchet;
    »aber es ist einer dagewesen, als ich kam; der muß von selbst gekommen sein.« – »Was willst du damit sagen, Tropf?« –
    »Daß ich bei meinem Kommen, obgleich ich den Schlüssel zu der Stube in meiner Tasche hatte, und er keine Sekunde von mir gewichen war, auf der grünen Tischdecke in Ihrer
    Schlafkammer einen Brief gefunden habe.« – »Und wo ist der Brief?« – »Ich habe ihn da gelassen, wo er lag, Herr. Mit rechten Dingen geht's doch nicht zu, wenn Briefe auf diese Weise den Weg ins Haus finden. Wäre das Fenster noch offen oder
    angelehnt gewesen, wollte ich nichts sagen; das war fest verschlossen. Nehmen Sie sich in acht, Herr, denn dahinter steckt sicher ein bißchen Zauberei.«
    Unterdessen war der junge Mann in die Kammer gestürzt und hatte den Brief aufgerissen. Er war von Frau Bonacieux und enthielt die folgenden Zeilen: »Man ist Ihnen großen Dank schuldig. Seien Sie heute abend gegen zehn Uhr in Saint-Cloud, gegenüber dem Pavillon an der Ecke des Hauses d'Estrées. C.
    B.«
    D'Artagnan fühlte, als er diese Worte las, jene süße Spannung eines von Liebe gequälten, mit Liebe belohnten, in Liebe vergehenden Menschenherzens. Es war das erste »billet doux«,
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    das er erhielt, das erste Stelldichein, das ihm bewilligt wurde.
    Wenig fehlte, so wäre sein von trunkener Wonne schwellendes Herz an der Pforte jenes irdischen Paradieses, das man Liebe nennt, gebrochen!
    »Nun, Herr«, sagt Planchet, dem es nicht entging, daß
    d'Artagnans Gesicht bald rot, bald blaß wurde, »habe ich nicht recht geraten, daß es sich um eine ganz abscheuliche Geschichte handelt?« – »Du bist im Irrtum, und als Beweis dafür hast du hier einen Taler. Den sollst du auf meine Gesundheit
    vertrinken!« – »Vielen Dank für den Taler, und die
    Versicherung, daß ich es nicht fehlen lassen werde, ihn Ihrem Befehl gemäß auszugeben; aber deshalb bleibt doch bestehen, daß Briefe, die auf solche Weise den Weg in verschlossene Häuser finden...«
    »... vom Himmel fallen, Freund, vom Himmel fallen!«
    »Also ist der Herr zufrieden?« fragte Planchet. – »Lieber Planchet, ich bin der glücklichste Mensch unter der Sonne!« –
    »Und darf ich das Glück des gnädigen Herrn wahrnehmen und mich schlafen legen?« – »Jawohl, Planchet, leg dich aufs Ohr!«
    »Möge aller Segen des Himmels auf das Haupt des gnädigen Herrn herabströmen! Aber was derlei Briefe angeht...«
    Kopfschüttelnd und mit einer Miene des Zweifels, die
    d'Artagnans Freigebigkeit nicht ganz zu tilgen vermocht hatte, zog Planchet sich zurück. Als d'Artagnan allein war, las er das süße Briefchen wieder und wieder, dann drückte er wohl an zwanzigmal die Lippen auf diese von der schönen Gebieterin seines Herzens geschriebenen Zeilen. Endlich legte er sich nieder, schlummerte ein und träumte die süßesten Träume... Um sieben Uhr erwachte er, stand auf und rief den Pagen, der jedoch erst auf den zweiten Ruf sich zeigte, mit einem Gesicht, auf dem die gestrige Ausschweifung noch deutliche Spuren hinterlassen hatte.
    »Planchet«, sagte d'Artagnan, »ich bleibe heute vielleicht den
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    ganzen Tag aus; bis sieben Uhr bist du also dein freier Herr, aber um sieben Uhr halte dich mit beiden Pferden bereit!« –
    »Oho«, rief Planchet, »wir wollen uns wohl noch einmal die Haut an mehreren Stellen ritzen lassen?« – »Du nimmst Muskete und Pistolen mit!« – »Na, hab ich's nicht gesagt?« rief Planchet; »das lag doch auf der Hand. Dieser vermaledeite Brief!« – »Still, Tropf, still! Wir wollen bloß eine kleine Lustpartie machen.« – »Aber ich dächte, im Stall der
    Gardenkaserne hätte der Herr nur ein Pferd?« – »Jetzt vielleicht ja, heute abend werden sich aber ihrer vier dort vorfinden.« –
    »War wohl eine Remontetour, die wir nach London gemacht haben?« – »Freilich, Simpel!« und, nachdem er ihm nochmals eingeschärft hatte, wie er sich zu verhalten hätte, ging d'Artagnan...
    Herr Bonacieux stand vor seiner Tür. D'Artagnan wollte vorbeigehen, ohne den Krämer eines Wortes zu würdigen; dieser grüßte ihn aber so zuckersüß, daß er als Mieter nicht anders konnte, als den Gruß erwidern und sich in ein Gespräch einlassen. Es geht doch auch nicht gut an, einen Mann hart anzulassen, dessen Frauchen einem für den Abend ein
    Stelldichein gegeben hat!

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