Die drei Musketiere
machten, breitete eine Decke auf die Dielen, kniete darauf und bedeutete Frau Bonacieux durch ein
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Zeichen, sich gleich ihm zu der Öffnung herabzubeugen.
»Sie sind also sicher, daß niemand da ist?« fragte der Unbekannte. – »Ich bürge dafür«, versetzte Bonacieux. – »Und Sie meinen, daß Ihre Frau...« – »... wieder nach dem Louvre zurück ist«, ergänzte Bonacieux beflissen die Frage. – »Ohne mit jemand anders als Ihnen gesprochen zu haben?« – »Das steht ganz außer Zweifel.« – »Das ist ein wichtiger Punkt.
Verstehen Sie?« – »Also ist die Nachricht«, rief Bonacieux, »die ich Ihnen gemeldet habe, von Wichtigkeit?« – »Von sehr großer Wichtigkeit, mein Lieber, wie ich unverhohlen bekenne.« –
»Also wird der Kardinal mit mir zufrieden sein?« – »Ohne Frage!« – »Der große Kardinal!«
»Sie wissen bestimmt«, fragte der Mann im Mantel, »daß Ihre Frau in der Unterhaltung mit Ihnen keinen Personennamen genannt hat? Weder den Namen der Frau von Chevreuse noch den der Frau von Verriet oder gar den des Herzogs von
Buckingham?« – »Nein; sie hat mir bloß gesagt, daß sie mich nach London schicken wolle, im Interesse einer erlauchten Person.«
»Der Verräter!« flüsterte seine Frau. – »Still!« sagte d'Artagnan, eine Hand ergreifend, die sie ihm, in Gedanken verloren.
»Immerhin«, nahm der Mann im Mantel wieder das Wort,
»war es höchst einfältig von Ihnen, mein lieber Bonacieux, sich nicht so zu stellen, als wollten Sie den Auftrag übernehmen; dann hätten Sie jetzt den Brief, der bedrohte Staat wäre gerettet, und Sie...« – »Und ich?« – »Sie? Nun, der Kardinal hätte Sie in den Adelsstand erhoben!« – »Hat er Ihnen das gesagt?« – »Ja, ich weiß, er wollte Ihnen damit eine Überraschung bereiten.« –
»Ruhig, ruhig«, sagte Bonacieux, »meine Frau betet mich an; noch ist es Zeit!«
»Der Simpel!« flüsterte Frau Bonacieux. – »Still!« flüsterte d'Artagnan, die Hand, die noch immer in der seinigen ruhte,
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stärker drückend.
»Wieso noch Zeit?« fragte der Mann im Mantel. – »Ich laufe in den Louvre, frage nach meiner Frau und sage ihr, ich hätte mir die Sache überlegt, wollte ganz gern die Reise machen, nehme ihr den Brief ab und laufe zum Kardinal« – »Nur flink, Bonacieux, flink! Ich bin in einer Stunde wieder hier, um zu hören, was Sie ausgerichtet haben.« – Mit diesen Worten verließ er das Haus. – »Der Schuft!« rief Frau Bonacieux. Die freundliche Bezeichnung galt ihrem Mann. – »Pst!« machte d'Artagnan, die Hand noch inniger drückend, die ihm die Frau noch immer überließ.
Ein gräßliches Geheul riß d'Artagnan und die junge Frau jäh aus ihren Betrachtungen. Ihr Mann stieß es aus, denn er hatte nun wahrgenommen, daß der Beutel mit den Pistolen
verschwunden war, und schrie aus Leibeskräften: »Diebe und Räuber!« – »Ach, lieber Gott!« jammerte die Frau, »er wird das ganze Viertel in Aufruhr setzen!« – Wohl schrie er lange und schrecklich; aber Geschrei war in den damaligen Zeitläuften keine Seltenheit. Zudem stand das Haus des Krämers in keinem guten Leumund mehr, und so ließen ihn die Leute schreien, ohne daß auch nur einer aus der Nachbarschaft sich bemüßigt fühlte, ihm zu Hilfe zu kommen. Aber er hörte nicht auf zu schreien, und rannte auf die Straße hinaus, und schrie weiter, bis seine Stimme endlich in der Richtung der Rue du Bac verhallte.
»Und nun er weg ist«, sagte Frau Bonacieux, »müssen Sie fort! Mut, vor allem aber Klugheit, und denken Sie daran, daß Sie sich der Königin weihen!« – »Ihr und, Konstanze, dir!«, rief d'Artagnan begeistert; »ich werde ihres Dankes würdig
wiederkehren. Sei ruhig! Aber... werde ich auch bei der Rückkehr würdig befunden werden deiner Liebe?«
Die junge Frau hatte keine Antwort auf diese Frage außer dem lebhaften Rot, das ihr die Wangen färbte. Kurz darauf verließ auch d'Artagnan, in einen weiten Mantel gehüllt, unter dem die Scheide eines langen Degens kavaliermäßig hervorragte, das
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Krämerhaus. Frau Bonacieux sah ihm nach mit jenem langen Blick inniger Liebe, mit dem die Frau den Mann begleitet, wenn sie sich geliebt weiß. Doch als er um die Straßenecke
verschwunden war, sank sie auf die Knie und flehte mit gefalteten Händen: »O lieber, gütiger Gott! Beschütze meine Königin! Beschütze mich!«
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Feldzugsplan
D'Artagnan begab sich geradeswegs zu Herrn von Tréville. Er hatte überlegt,
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