Die drei Musketiere
daß der Kardinal in wenigen Minuten durch diesen Hundsfott von Unbekannten, der sein Agent zu sein schien, in Kenntnis gesetzt sein würde, und meinte mit Recht, daß jetzt jeder Augenblick kostbar sei. Sein Herz schäumte über vor Freude. Bot sich ihm doch eine Gelegenheit, Ruhm zu erwerben und zugleich Reichtümer einzuheimsen! Außerdem hatte ihm diese Gelegenheit das Herz der Frau näher gebracht, die er mit schwärmerischer Begeisterung verehrte. Das war wirklich mehr auf einen Hieb, als er sich je hätte träumen lassen.
Herr von Tréville saß in seinem Salon, umgeben von seinem ständigen Kreis von Edelleuten. D'Artagnan, als Vertrauter des Hauses bekannt, verfügte sich ohne weiteres in das
Privatkabinett und ließ Herrn von Tréville melden, er sei in einer Sache von höchster Wichtigkeit da. Kaum fünf Minuten
verflossen, so erschien Herr von Tréville. An dem
freudestrahlenden Gesicht seines jungen Freundes erkannte er auf den ersten Blick, daß es sich tatsächlich um etwas ganz Besonderes handeln müsse. Unterwegs war d'Artagnan mit sich zu Rate gegangen, ob er sich Herrn Tréville anvertrauen oder sich nur völlig freie Hand in einer geheimen Angelegenheit erbitten solle. Herr von Tréville war aber immer so freundlich und gütig zu ihm gewesen, war dem König und der Königin so treu ergeben und haßte den Kardinal so aus vollem Herzen, daß d'Artagnan sich entschloß, ihn vollständig einzuweihen.
»Nun, junger Freund«, sagte Tréville, »Sie haben mich zu sprechen verlangt?« – »Ja, Herr«, versetzte d'Artagnan, »und Sie werden mir hoffentlich die Störung verzeihen, wenn ich Sie von der wichtigen Angelegenheit unterrichtet habe, um die es sich handelt.« – »Nun, dann sprechen Sie! Ich höre!« – »Es handelt sich um nichts Geringeres«, flüsterte d'Artagnan, »als um die
-196-
Ehre, vielleicht gar um das Leben der Königin!« – »Was faseln Sie da?« fragte Tréville, sich scheu umsehend, ob sie auch wirklich allein seien, und faßte dann d'Artagnan scharf ins Auge.
– »Ich erkläre, Herr, daß mich der Zufall zum Mitwisser eines Geheimnisses gemacht hat...« – »Das Sie hoffentlich nicht ausplaudern werden, junger Mann, bei Ihrem Leben nicht!« –
»Das ich aber Ihnen anvertrauen muß, Herr, denn Sie allein können mir bei der Mission helfen, mit der mich Ihre Majestät betraut haben.«
»Gehört Ihnen das Geheimnis?« – »Nein, nur der Königin!« –
»Sind Sie von Ihrer Majestät ermächtigt, es mir mitzuteilen?« –
»Nein, Herr, es ist mir im Gegenteil die strengste
Geheimhaltung ans Herz gelegt worden.« – »Und warum wollen Sie mir gegenüber Ihr Versprechen brechen?« – »Weil ich, wie gesagt, ohne Sie machtlos bin, und weil ich fürchte, Sie möchten mir die Gunst, um die ich Sie bitten will, verweigern, sofern Sie nicht wissen, zu welchem Zweck ich sie erbitte.« – »Behalten Sie Ihr Geheimnis für sich und sagen Sie mir, was Sie von mir wollen.« – »Vierzehn Tage Urlaub wünsche ich durch Sie von meinem Kapitän bewilligt zu erhalten.« – »Und wann?« –
»Noch heute nacht.« – »Sie wollen Paris verlassen?« – »In heiliger Mission.« – »Dürfen Sie mir sagen, wohin Sie reisen sollen?« – »Nach London.« – »Hat jemand Interesse daran, daß Sie Ihr Ziel nicht erreichen?« – »Der Kardinal würde, glaube ich, Himmel und Hölle in Bewegung setzen, mich daran zu hindern.«
»Sie reisen allein?« – »Ganz allein.« – »Dann kommen Sie nicht über Bondy hinaus. Mein Wort darauf!« – »Wieso?« –
»Weil man Sie meuchlings ermorden wird.« – »Dann lasse ich eben in Erfüllung meiner Pflicht mein Leben.« – »Aber Ihre Mission bleibt unerfüllt!« – »Das allerdings«, versetzte d'Artagnan, tief bekümmert. – »Glauben Sie mir«, sagte Tréville, »bei solchen Unternehmungen gelten vier Männer mehr als einer.« – »Oh, Sie haben recht, Herr«, versetzte
-197-
d'Artagnan, »aber Sie kennen Athos, Porthos und Aramis und wissen, ob ich über sie verfügen kann.« – »Ohne ihnen das Geheimnis anzuvertrauen, das ich nicht wissen will?« – »Wir haben uns ein für allemal blindes Vertrauen und Treue in allen Lebenslagen gelobt. Übrigens können Sie ihnen ja sagen, daß Sie volles Vertrauen in mich setzen, und sie werden mir nicht minder glauben als Sie selbst!« – »Ich kann jedem von ihnen einen vierzehntägigen Urlaub geben, weiter nichts: Athos, weil er zur völligen Genesung ins Bad muß, nach
Weitere Kostenlose Bücher