Die drei Musketiere
um jemand in seiner Nähe zu haben, mit dem er sich von der Königin ständig unterhalten konnte... Nach einer Stunde wurde in London bekanntgegeben, daß die Hafensperre über ganz England
verhängt sei, und zwar nicht bloß über Fracht- und
Personenschiffe, sondern sogar über alle Postboote: eine Verordnung, die in aller Augen für gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung gegen Frankreich galt.
Am zweiten Tag, um elf Uhr, waren die beiden
Diamantknöpfe fertig, und zwar in einer so täuschenden Nachahmung, daß es dem Herzog nicht möglich war, die neuen von den alten zu unterscheiden. Er ließ sogleich d'Artagnan rufen... »Hier«, sagte er, »sind die Diamantknöpfe, die Sie holen sollen. Ich hoffe, daß Sie mir Zeuge dafür sein werden, daß ich das Unmögliche möglich zu machen wußte.« – »Ich werde nicht ermangeln, Mylord, zu berichten, was ich gesehen. Aber Euer Gnaden übergeben mir die Knöpfe ohne das Kästchen.« – »Es würde Sie nur beschweren, und für mich wird es von um so höherem Wert sein, als es mir jetzt bloß allein verbleibt. Sagen Sie ja, daß ich es getreulich hüten werde.« – »Ich werde alles Wort für Wort bestellen, Mylord.« – »Und nun«, sagte
Buckingham, den jungen Mann scharf fixierend, »wie soll ich meine Schuld an Euch abtragen?«
D'Artagnan schoß die Röte ins Gesicht. Er sah, daß der Herzog nach einem Mittel suchte, ihm ein Geschenk anzubieten; der Gedanke aber, daß ihm für sein und seiner Kameraden Blut zugemutet werden könnte, englisches Gold anzunehmen,
empörte ihn aufs äußerste... »Mylord«, sprach er, »ich stehe im Dienst meines Königs und meiner Königin und gehöre der Garde des Herrn Des Essarts an, die, wie die Truppe seines
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Schwagers, Herrn von Tréville, Ihren Majestäten speziell zugeteilt ist. Hätte es sich nicht darum gehandelt, einer Person gefällig zu sein, die mir dasselbe ist, wie Ihnen die Königin...« –
»Ich verstehe«, fiel der Herzog ihm ins Wort, »dann hätten Sie sich vielleicht zu dem Dienst gar nicht verstanden. Hm, ich glaube fast, die Dame, von der Sie sprechen, zu kennen.« –
»Mylord«, rief d'Artagnan lebhaft, »ich habe nicht ihren Namen genannt.« – »Freilich«, erwiderte der Herzog, »aber dieser Person muß ich mich doch für Ihre Aufopferung erkenntlich erweisen.« – »Mylord«, erklärte d'Artagnan. »Sie haben soeben vom Krieg zwischen England und Frankreich gesprochen. Ich sage Ihnen daraufhin, daß ich in Euer Gnaden lediglich einen Engländer erblicke, und daß es mir deshalb lieber wäre, ich träfe Sie auf dem Schlachtfeld als im Park von Windsor oder in den Gängen des Louvre; doch dies alles soll mich nicht hindern, Punkt für Punkt meinen Auftrag auszuführen und, wenn es sein muß, mein Leben dabei zu lassen; aber, ich wiederhole Euer Gnaden, ohne daß Sie persönlich zu danken haben dafür, was ich bei diesem zweiten Zusammentreffen für mich tue, wie dafür, was ich beim ersten für Sie getan habe.«
D'Artagnan verneigte sich vor dem Herzog und schickte sich zum Fortgehen an... »Sie gehen stehenden Fußes? Welchen Weg? Wie?« – »Sie haben recht, Mylord!« – »Goddam! Das muß man den Franzosen lassen! Besonnen wird nicht lange!« –
»Ich hatte vergessen, daß England eine Insel ist und Sie ihr König sind.« – »Verfügen Sie sich in den Hafen, fragen Sie nach der Brigg, Sund, und geben Sie dem Kapitän den Brief da. Er wird Sie nach einem kleinen Hafen, Saint-Valéry, bringen, wo man Sie ganz sicher nicht erwartet, und wo in der Regel bloß Fischervolk verkehrt. Begeben Sie sich dort in eine gewöhnliche Herberge ohne Schild und ohne Namen, eine richtige
Matrosenkneipe. Sie können schwerlich fehlgehen, denn es ist die einzige im ganzen Hafen.« – »Und dann?« – »Lassen Sie den Wirt kommen und sagen ihm die Parole: Vorwärts! Darauf
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wird er Ihnen ein gesatteltes Pferd geben und den Weg zeigen, den Sie einschlagen müssen. In der gleichen Weise werden Sie auf der Tour vie rmal ein frisches Pferd finden. Wenn's Ihnen recht ist, so hinterlassen Sie an jeder dieser Relaisstellen Ihre Pariser Adresse, und die vier Pferde werden Ihnen dorthin geschickt. Zwei davon sind Ihnen schon bekannt, es sind die beiden, die wir jetzt reiten. Verlassen Sie sich darauf; die anderen beiden sind um nichts schlechter. Die vier Pferde sind sämtlich feldmarschmäßig ausgerüstet. Sie mögen noch so stolz sein, ein Pferd für sich und drei für Ihre drei Kameraden
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