Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
furchtbares Staatsgeheimnis wäre.« – »Das ist es auch, gnädigster Herr.« – »Ei was, die große Aehnlichkeit besteht sicherlich nur in Ihrer Phantasie,« sagte der Bischof. »Ich habe doch schon mehrmals junge Leute gesehen, die diese Aehnlichkeit auch hatten –« – »Ja,« fiel der Gouverneur ihm ins Wort, »aber zwischen Aehnlichkeit und Aehnlichkeit ist ein Unterschied. Diese hier ist gar zu frappant. Ueberzeugen Sie sich nur einmal selbst davon.«
»Ich bin nicht neugierig,« erwiderte Aramis, anscheinend gleichgültig. »Und dann – ich glaube, ich werde den Eindruck nie wieder los, wenn ich erst mal solch einen Unglücklichen zwischen Kerkermauern gesehen habe.« – »Ah bah,« versetzte Baisemeaux, »er ist guter Dinge. Hat sich in sein Schicksal gefügt, denn er weiß, daß er zu immerwährender Gefangenschaft verurteilt ist.« – »Aber warum das?« – »Potzblitz, sein Verbrechen währt, solange er lebt, also muß er auch bestraft sein,solange er lebt; denn sie begreifen, falls er nicht etwa die Blattern bekommt, was nicht anzunehmen ist, wird diese Ähnlichkeit –« – »Und so soll dieser Unglückliche nie das Ende seiner Leiden erleben?« – »Seiner Leiden? Es werden 15 Livres täglich für ihn bezahlt, und ein Fünfzehner hat keine Leiden,« antwortete der Gouverneur. »Sehen Sie ihn sich nur mal an! Er ist von Geburt nicht zu einem so vornehmen Tische geboren, wie er ihn hier führen kann.« – »Nun, da Sie soviel davon hermachen, so wollen wir ihn uns mal ansehen,« sagte Aramis, anscheinend noch immer mit Widerstreben.
Der Gouverneur rief einen Schließer, der ihnen voranging. Sie schritten über den Hof und betraten den Turm, den Baisemeaux bezeichnet hatte. Aramis war weder ein Träumer noch ein gefühlvoller Mensch; er war vielmehr kalt und herzlos. Doch als er jetzt die abgetretenen Steinstufen hinanstieg, als ihn die Luft dieser finstern, tränenfeuchten Mauern umschloß, da war ihm seltsam zumute, traurig senkte er den Kopf, und seine Augen verschleierten sich. Er sprach kein Wort mehr, bis der Gouverneur eine Tür ausschließen ließ.
»Wir sind im ersten Stock,« sagte er. – »Es ist mir recht,« sprach Aramis leise. »Machen wir bei diesem den Anfang.«
Sie traten ein und sahen einen jungen Menschen von 18 Jahren und fast noch knabenhaftem Aussehen vor sich. Er hob den Kopf und sprang auf, als er den Gouverneur erblickte. – »Meine Mutter! Meine Mutter!« rief er, die Hände faltend und mit so herzzerreißender Stimme, daß Aramis erbebte. – »Ich bringe Ihnen ein Extragericht, lieber Freund,« sagte der Gouverneur lächelnd, »und Konfekt zum Nachtische.« –»O, mein Herr,« rief der junge Mann, »kommen Sie ein ganzes Jahr lang nicht her, geben Sie mir ein ganzes Jahr lang nichts als Wasser und Brot, aber versprechen Sie mir, daß ich nach diesem Jahre die Freiheit wiedererlangen werde – daß ich meine Mutter wiedersehen werde!« – »Lieber Freund,« erwiderte Baisemeaux, »Ihre Mutter ist arm – Sie haben es hier besser.« – »Besser? Man hat es am besten nur in der Freiheit! Und warum entzieht man der Armen die einzige Stütze?« – »Lieber Freund,« antwortete der Gouverneur, »Sie wissen, daß das nicht meine Sache ist – von mir hängt nur Ihre Verpflegung ab, und über die können Sie sich nicht beklagen.« – »O, mein Gott!« schrie der Jüngling, taumelte und stürzte rücklings auf den Boden. – »Gehen wir!« flüsterte Aramis, »ich werde für den armen Menschen um Begnadigung bitten.« – »Und wenn Sie die Begnadigung nicht erlangen,« sagte der Gouverneur, »bitten Sie wenigstens darum, daß man ihn auf zehn Livres setze, damit ist dann uns beiden, mir und ihm, geholfen.«
Sie gingen weiter, und Aramis fühlte, daß er, um keinen Verdacht zu erwecken, alle Kraft und Geistesgegenwart zusammennehmen müsse. Baisemeaux blieb stehen und schloß die Tür auf. Man sah in dem Lichtschein, der zu dem vergitterten Fenster hereinfiel, einen schönen jungen Mann von mittlerer Größe, mit kurzgeschnittenem Haar und einem Flaum auf Kinn und Oberlippe. Er saß aus einem Schemel. Sein Rock war aus schwarzem Samt, und er trug ein überaus feines schneeweißes Battisthemd.
Als der Gouverneur eintrat, wendete er sich um, stand auf und grüßte höflich. Sein Blick fiel auf Aramis,und der Bischof erblaßte, von Schauder erfaßt, der Hut entsank seiner Hand. Er hatte das Gefühl, als ob ein Schlag ihn streifte. Baisemeaux war frei von allen
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