Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
nahm das Schreiben, das der Vicomte schon hundertmal gelesen hatte; es lautete: »Vicomte! Amüsieren Sie sich wacker mit den Schönen in England, Sie tun recht daran, denn am Hofe Ludwigs wird die Hochburg Ihrer Liebe belagert. Bleiben Sie also für immer in London, armer Graf, oder aber kehren Sie schnell nach Paris zurück!«
»Anonym!« rief die Graffton. »Das ist gemein. Das glaubt man nie!« – »Täte ich auch nicht,« antwortete Rudolf. »Aber ich habe noch einen zweiten Brief erhalten, von einem guten, treuen Freunde. Als ich abreiste, sagte ich zu ihm: Wenn irgend etwas nicht in Ordnung sein sollte, dann schreibe mir nur die Worte: Komme zurück! Nun lesen Sie!« – Und Mary Graffton las: »Mein Freund! Ich bin verwundet und liege krank darnieder. Rudolf, kommen Sie zurück! Ihr Graf Guiche.« –
»Und was denken Sie nun zu tun?« fragte Mary Graffton. – »Ich habe den König um Urlaub gebeten. Aber der König antwortete, mein Gebieter hätte mich ja noch gar nicht zurückgerufen. Er hat recht – ich habe noch keinen Befehl zur Rückreise erhalten. Ich muß also bleiben.« – »Und Ihre Geliebte – schreibt sie Ihnen?«»Niemals.« – »O, dann liebt sie Sie nicht! Doch still, der Herzog kommt.«
Buckingham erschien am Ende der Allee und kam lächelnd näher. – »Haben Sie sich nun verständigt?« fragte er. – »Worüber?« versetzte die Graffton. – »Ueber das, was Sie glücklich und Rudolf weniger unglücklich machen könnte, liebe Mary,« antwortete der Herzog. – »Mylord, Herr von Bragelonne ist glücklich,« entgegnete Mary. »Er liebt und wird wiedergeliebt.« – »Herr von Bragelonne,« antwortete Buckingham ernst, »steht vor einer schweren Katastrophe. Er hat es mehr als jemals nötig, daß man für sein Herz Sorge trägt.«
»Mylord, ich verstehe Sie nicht!« rief Rudolf, »erklären Sie sich deutlicher! – »Nach und nach,« erwiderte Buckingham. »Doch kann ich Miß Mary sagen, was Sie noch nicht hören dürfen.« – »Sie spannen mich auf die Folter, Mylord!« entgegnete der Vicomte. – »Mylord, ja! was quälen Sie ihn? Ich habe Ihnen doch gesagt, er liebt ein Mädchen seiner Heimat,« sagte Miß Graffton.
»Er hat unrecht. Denn er liebt ein Weib, das seiner unwürdig ist,« sagte Buckingham mit jenem Phlegma, dessen nur ein Engländer fähig ist.
Miß Mary stieß einen Schrei aus; Bragelonne erbebte. »Herzog, was sagen Sie da! Ich werde keine Sekunde säumen, mir die nähere Erklärung in Paris zu holen!« rief er. – »Sie werden bleiben,« versetzte Buckingham. »Denn Sie haben kein Recht abzureisen. Man vernachlässigt königlichen Dienst nicht um eines Weibes willen.« – »So geben Sie mir Aufschluß!« – »Das will ich tun. Ich werde offen mit Ihnen sprechen.«
In diesem Augenblick erschien ein Lakai des Königsund forderte den Herzog auf, sich zu Seiner Majestät zu verfügen. Der Herzog gehorchte und fand den König vor seinem Schreibtische. – »Kommen Sie herein, lieber Buckingham,« sagte Karl II., »und machen Sie die Tür zu. Wie steht es mit unserm Franzosen?« – »Ich bin seinetwegen in Verzweiflung, Majestät,« antwortete der Herzog. »Die reizende Mary Graffton möchte ihn gern heiraten, aber er will nicht.« – »Sehr einfach, so läßt er's bleiben,« sagte der König. – »Und dabei habe ich ihm schon angedeutet, daß seine Lavallière ihn hintergeht,« setzte Buckingham hinzu. – »Was sagte er dazu?«
»Er tat einen Sprung, als wolle er gleich über das Aermelmeer setzen,« sagte der Herzog. – »So ist er von neuem Willens abzureisen?« fragte Karl II. – »Anfangs schien es, als sei keine Macht der Erde imstande, ihn zurückzuhalten, aber Marys schöne Augen –« – »Nun, sieh, Buckingham,« unterbrach ihn der König, »niemand kann gegen seine Bestimmung. Und dieser junge Mann ist dazu bestimmt –« – »Bestimmt?« wiederholte Buckingham, »wozu?« – »Betrogen zu werden, was nichts ist, – und es mitanzusehen, was viel ist. Er kehrt nach Paris zurück.«
»Aber, Majestät, das ist ganz unmöglich!« rief Buckingham, »dieser junge Mann ist ein Löwe. Sein Zorn ist furchtbar, und wenn er sein Unglück vor Augen hat, dann wehe dem Urheber des Unglücks. Und ob es der König selbst ist, ich möchte dann nicht in seiner Haut stecken.« – »Hier lies und sage mir, was du an meiner Stelle tun würdest,« sagte Karl II. und reichte dem Herzog ein Schreiben, das ihm eben erst durch den Expreßboten aus Frankreich
Weitere Kostenlose Bücher