Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
marterst mich zu Tode.« – »Wer? fragst du noch?« antwortete ihre Freundin. »Bragelonne!« – Luise stieß einen furchtbaren Schrei aus. – Im selben Augenblick wurde die Tür aufgestoßen, und Rudolf erschien auf der Schwelle. »Ja, da bin ich, Luise!« rief er. »O, ich wußte es wohl, Sie lieben mich noch immer!«
Luise starrte ihn an, barg das Gesicht in den Händen und stammelte in wimmerndem Tone: »Nein, nein! kommen Sie mir nicht nahe!« – Rudolf blieb stehen, wie angewurzelt, wie erstarrt. – Die Montalais warf einen scheuen Seitenblick nach dem Wandschirm und flüsterte: »Die Unvorsichtige! Nicht einmal die Falltür hat sie hinter sich geschlossen.« – Sie wollte hinter den Schirm schlüpfen, da stürzte aus der Oeffnung der König hervor, kniete vor Luise nieder und schlang die Arme um ihre Knie. Er hatte Rudolf nicht gesehen – aber Rudolf sah und erkannte ihn, stob, wie vom Blitz getroffen, zurück und sprang die Treppe hinab. Nun hörte der König die Tritte und lief nach dem Korridor, allein Bragelonne verschwand, ehe Ludwig ihn sehen konnte.
Betäubt, erschreckt, wie von Sinnen, stürzte Rudolf davon. Er hatte den König zu den Füßen Luisens gesehen. Konnte er nun noch zweifeln? Nein! es war offenbar, alle Gerüchte, die ihn in Schrecken gesetzt hatten, beruhten auf Wahrheit. Luise war die Geliebte Ludwigs XIV. Obwohl nun eigentlich jede Frage überflüssig war, so begab er sich doch zu Herrn von Guiche, um ihn zu fragen, was er davon wisse. – »Guiche ist meinFreund,« sagte sich der Unglückliche, »er hat mir geschrieben, er muß mir etwas sagen können, und er wird mir nichts verheimlichen.« – Denn das eine war ihm ja noch ein Rätsel: wie der König so plötzlich im Zimmer Luisens hatte erscheinen können.
Graf Guiche trug noch den Verband, war aber bereits außer Bett. Er umarmte seinen Freund, er erzählte ihm, was ihm geschehen, er erging sich in allerlei Fragen nach Rudolfs Aufenthalt in London und war sichtlich beflissen, das Gespräch von dem Thema fernzuhalten, das Rudolf so sehr am Herzen lag. Endlich jedoch mußte er ihn die heikle Frage stellen lassen. »Sie haben mich hergerufen, Graf Guiche. Was haben Sie mir zu sagen?« – »Ich kann Ihnen nichts sagen,« antwortete der Graf. – »Mein Freund, wenn Sie etwas wissen, warum verhehlen Sie es mir?« versetzte Rudolf. »Wenn Sie nichts wissen, warum schrieben Sie mir?« Und er erzählte ihm ausführlich, was ihm soeben geschehen war. Aber Graf Guiche schüttelte nur traurig den Kopf. »Ich fühle mit Ihnen, Bragelonne,« sagte er, »ich kann mir denken, wie angstvoll Sie nach Aufklärung verlangen – doch ich kann sie Ihnen nicht geben. Fordern Sie nichts mehr von Ihrem unglücklichen Freunde.«
»Sie meinten, Guiche, wenn ich käme, würde ich sehen, nicht wahr? Nun, ich habe gesehen – ich sah Luise in Verwirrung – ich sah den König – nicht wahr, es ist der König?« – »Ich sage nichts darauf,« antwortete Guiche abermals. – »Guiche, Guiche, Sie bringen mich ins Grab!« stöhnte Bragelonne. »Reden Sie doch, Sie sehen ja, mein Herz verblutet.« – »Mein lieber Freund,« antwortete der Graf, »was ich Ihnen sagen könnte, erfahren Sie vom ersten Besten, den Sie fragen.Mehr kann, mehr darf auch ich nicht sagen. Wollen Sie, daß ich mich durch ein unbesonnenes Wort in die Bastille bringe? Meine Pflicht war, Ihnen Nachricht zu geben, das habe ich getan. Wachen Sie nun selbst über Ihre Angelegenheit!«
Ein Lakai trat ein. »Man erwartet den Herrn Grafen im Porzellankabinett.« Graf Guiches Antlitz leuchtete auf. – »O,« murmelte Rudolf, als der Graf gegangen war, »ich schalt Madame eine Kokette. Aber in ihren guten Stunden liebt sie doch wenigstens und macht Guiche zum glücklichsten der Menschen! – Ich gehe zu d'Artagnan! er ist mein Freund und war noch nie einer von denen, die hinterm Berge halten.«
Der Kapitän war außer Dienst und saß in seinem Zimmer. Er las einen Brief, den er von Athos erhalten und der sich mit derselben Person beschäftigte, die jetzt, aufgeregt, mit fiebernder Stirn und kochendem Blute, zu ihm hereintrat. – »Rudolf, mein Junge!« rief d'Artagnan und drückte ihn stürmisch an die Brust. »Wie schön, daß du ha bist! Hat der König dich zurückgerufen?« – »Nein, ich bin so gekommen!« erwiderte Rudolf dumpf. – »Was?« brummte der Gaskogner und sah Rudolf vielsagend an. »Zurück ohne Befehl des Königs? Das verstehe ich nicht. Und was machst du für
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