Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
glaubte, das Herz breche ihm. Er wankte und sank auf einen Stuhl. Sein letzter Zweifel war zerstört, die letzte schwache Hoffnung vernichtet. Das Luftschloß, in dem er seit vielen Jahren schon von Glück und Liebe träumte, stürzte in Trümmer und begrub ihn unter sich. – »Vergebung, Madame!« stammelte er. »Ich weiß, ich sollte in Ihrer Gegenwart mehr Herr über mich sein. Aber möge der Gott des Himmels und der Erde Sie nie mit einem solchen Schlage heimsuchen, wie mich in diesem Augenblick!« – »Herr von Bragelonne,« antwortete sie, »es wäre mir schmerzlich gewesen, Ihr ganzes Leben durch Treulosigkeit verbittert, durch Hohn befleckt zu sehen. Deshalb rief ich Sie aus London zurück – ja! ich selbst schrieb an meinen Bruder in dieser Sache. Hier habe ich Ihnen nun die Beweise geliefert die Sie heilen müssen, so schwer die Operation auch sein mag. Aber Sie werden sie bestehen, wenn sie ein Mann von Mut und kein weinerlicher Amadis sind. Danken Sie mir nicht – denn ich tat es selbst nur sehr ungern – und dienen Sie um nichts weniger Ihrem König.«
»Ah, ich vergaß es fast,« murmelte Bragelonne düster, »es ist ja der König, mein Gebieter!« – »Und deshalb handelt es sich für Sie um Leben und Freiheit!« setzte Madame hinzu. – Ein flammender Blick Rudolfs verriet der Herzogin, daß der junge Mann nach beidem nicht mehr fragte. – »Seien Sie auf der Hut, Herr Graf,« sagte sie. »Wägen Sie Ihre Handlungen sorgsam ab, bringen Sie den König nicht in Zorn, Sie würdendamit sich und die Ihrigen ins Unglück stürzen. Beugen Sie sich – heilen Sie sich!« – »Dank, Madame!« erwiderte der junge Mann. »Noch eine Frage! Wie haben Sie das Geheimnis dieser beiden Zimmer entdeckt?« – »Das war sehr einfach. Ich habe stets doppelte Schlüssel zu den Gemächern meiner Damen, um sie jederzeit überwachen zu können,« antwortete Lady Henriette. »Nun wunderte es mich, daß die Lavallière sich so oft auf ihr Zimmer zurückzog, daß Saint-Aignan eine andere Wohnung nahm, und zwar merkwürdigerweise gerade unter der Lavallière, und daß an der Tagesordnung bei Hofe manches auffallenderweise geändert wurde. Ich mag dem König nicht zum Spielball dienen; ich mag nicht den Deckmantel für seine Liebschaften hergeben; denn nach der weinerlichen Lavallière wird es die übermütige Tonnay-Charente sein, das sehe ich schon kommen. Das ist keine meiner würdige Rolle. Deshalb entdeckte ich das Geheimnis, indem ich die Handwerker bestach, die hier gearbeitet haben. Und nun entschuldigen Sie mich. Ich hatte eine Pflicht zu erfüllen und habe es getan. Sie sind gewarnt, bringen Sie sich nicht in Gefahr. Der Sturm steht über unsern Häuptern.«
»Erwarten Sie nicht, daß ich die Schmach, die man mir antut, ohne Widerrede hinnehmen werde!« versetzte Rudolf stolz. – »Sie sind Herr Ihrer Entschlüsse,« antwortete sie. »Nur nennen Sie die Quelle nicht, aus der Sie die Wahrheit schöpften.« – »Fürchten Sie nichts, Madame,« sagte Bragelonne mit bitterm Lächeln. Darauf riß er ein Blatt Papier aus seinem Notizbuch und schrieb darauf die folgenden Worte: »An den Grafen von Saint-Aignan. – Herr Graf! Sie werden den Besuch eines meiner Freunde erhalten. Rudolf Vicomte vonBragelonne.« – Er rollte den Zettel zusammen und schob ihn in den Spalt der zum Zimmer der beiden Liebenden führenden Tür. Auf dem Treppenabsatz verließ ihn Madame, und während sie in ihre Gemächer zurückeilte, sprach sie bei sich: »Hätte ich gewußt, wie nahe es ihm ginge, ich würde diesem armen Menschen die Wahrheit verschwiegen haben.«
6. Kapitel. Männerstolz vor Königsthronen
Ludwig XIV. hatte die Herren Fouquet und Colbert entlassen. Er fertigte die Staatsgeschäfte jetzt immer etwas rasch ab, um desto mehr Zeit für die Lavallière übrig zu haben. Mit Ungeduld wartete er auf Saint-Aignan, die einzige Person, mit der er von ihr sprechen konnte. – »Ah, Sie sind es, Graf!« rief er hocherfreut, als der Hofmeister eintrat. »Fouquet hat mich eben abermals nach Vaux eingeladen; und Sie werden mit von der Partie sein.« – »Ja, Majestät, wenn ich bis dahin nicht eine andere Partie machen muß, nämlich die Fahrt zum Styx,« antwortete der Kavalier. »Im Ernst, Sire! Ich bin dazu eingeladen worden, und zwar auf eine Weise, daß ich gar nicht weiß, wie ich davon loskommen soll.« – »Was willst du damit sagen?« fragte der König, betroffen über den Ton, den der Hofmeister anschlug. – »Damit
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