Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
Krummbuckler, große Männer oder Hanswurste? Soll man Ihnen dienen oder vor Ihnen im Staube kriechen? Soll man Sie lieben oder sich vor Ihnen fürchten? Wenn Ihnen Niedrigkeit, Intrige, Falschheit lieber sind, so sagen Sie es. Wir Kerle vom alten Schrot und Korn gehen dann, wir einzigen Ueberreste der ehemaligen Kraft und Tapferkeit. Wählen Sie, Sire, und zaudern Sie nicht. Erhalten Sie sich, was Ihnen an großen Männern noch übrig ist, Höflinge werden Sie immer genug haben. Schicken Sie mich zu meinem Freunde in die Bastille, denn da Sie den Grafen de la Fère nicht anzuhören verstanden, da Sie d'Artagnan nicht anhören können, die offene, derbe Stimme der Aufrichtigkeit, dann sind Sie ein schlechter König und werden morgen ein armer König sein. Die schlechten Könige verabscheut man, die armen vertreibt man. Das, Sire, wollte ich Ihnen sagen. Sie taten Unrecht, mich soweit zu treiben.«
Der König warf sich in den Lehnstuhl, starr und leichenblaß. Wenn ein Blitzstrahl zu seinen Füßen niedergefahren wäre, es hätte ihn nicht heftiger erschüttern können. Es war, als sei ihm der Atem ausgegangen. D'Artagnanaber nahm seinen Degen und legte ihn auf den Tisch. Der König machte eine wütende Gebärde und stieß die Waffe zurück, so daß sie auf den Boden fiel und dem Musketier vor die Füße rollte. So sehr d'Artagnan sich zu beherrschen vermochte, so erblaßte er jetzt doch und preßte vor Grimm die Zähne aufeinander. »Ein König kann die Ungnade über einen Soldaten aussprechen,« rief er, »er kann ihn verdammen und zum Tode verurteilen, aber wäre er auch hundertmal König, er hat nicht das Recht, ihn zu beschimpfen, indem er seinen Degen entehrt. Sire, noch nie hat ein König von Frankreich den Degen eines Mannes wie ich zurückgestoßen. Dieser befleckte Degen, Sire, merken Sie sich das, hat künftig keine Scheide mehr als Ihr Herz oder das meinige! Ich wähle meiniges – danken Sie dafür Gott und meiner Geduld!« Er riß den Degen empor und rief: »Mein Blut falle auf Ihr Haupt!« Dabei setzte er die Spitze des Degens an seine Brust.
Doch noch schneller stürzte der König hinzu, schlang den rechten Arm um den Hals des Musketiers, griff mit der linken Hand in die Degenklinge und schob sie schweigend in die Scheide. D'Artagnan, noch blaß, stumm und mit den Zähnen knirschend, ließ es geschehen. Dann kehrte Ludwig XIV. zum Tische zurück, schrieb ein paar Zeilen auf ein Blatt Papier und reichte es dem Kapitän.
»Sire, was ist das?« murmelte der Chevalier.
»Der Befehl an Herrn d'Artagnan, den Grafen de la Fère augenblicklich in Freiheit zu setzen,« antwortete Ludwig.
D'Artagnan ergriff die königliche Hand, küßte sie, steckte das Papier ein und stürzte hinaus. – »O, menschlichesHerz, Kompaß der Könige!« sprach Ludwig vor sich hin. »Wann werde ich in deinen Falten wie in den Blättern eines Buches lesen können? O, nein, ich bin kein schlechter König – ich bin auch kein armer König. Aber ich bin noch ein Kind.«
Siebenter Teil
Die eiserne Maske
1. Kapitel. Aramis als Beichtvater
Herr d'Artagnan holte seinen Freund Athos zur größten Ueberraschung Baisemeaux' und d'Herblays aus der Bastille zurück, nicht ohne daß der Gouverneur dem Grafen versicherte, er verliere etwas, indem ihm das gute Leben im Staatsgefängnis versagt bliebe. Trotz seiner guten Bekanntschaft mit den beiden Herren unterließ er es nicht, sich davon zu überzeugen, daß der Freilassungsbefehl ebenso wie der Haftbefehl eigenhändig vom König geschrieben war. D'Artagnan wiederum unterließ es nicht, dem Herrn Bischof zu imponieren, indem er erklärte, der König täte alles, was er wollte, und da er die Freilassung des Grafen verlangt hätte, so sei sie erfolgt. Allein Aramis sah tiefer und erkannte, daß der Musketier log. Seine Aufregung, sein noch immer blasses Gesicht, sein nervöses Gebahren verrieten, welchen Sturm er überstanden.
Der Gouverneur und der Bischof blieben allein zurück. Aramis, entschlossen, dem merkwürdigen Zwischenfall keine unnützen Gedanken zu widmen, kehrte alsbald zu seinen eigenen Geschäften zurück. – »Herr Baisemeaux,« sprach er, »es ist mir bekannt, daß Sie zu einer geheimen geistlichen Organisation gehören, deren Mitglieder untereinander zu bestimmten Dienstleistungen und Verbindlichkeiten verpflichtet sind. Im besondern haben alle dem Orden angehörenden Gefängnisleiter und Festungskommandanten die Pflicht, zu den Kranken oder Sterbenden ihrer
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