Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
ihrer Reise nach Toulon. Sie machten 50 Meilen und mehr am Tage. In vierzehn Tagen waren sie am Ziel. Unterwegs erfuhren sie von einem königlichen Offizier, der mit einem geheimnisvollen Gefangenen nach Toulon gekommen sei. Verschiedene Einzelheiten ließen Athos vermuten, daß es sich hier nur um d'Artagnan handeln könne; und da er von Aramis die Geschichte des mißlungenen Staatsstreichs kannte, so lag der Schluß nahe, daß der Gefangene eben jener mysteriöse Zwillingsbruder Ludwigs XIV. sei, der auf Befehl des Königs von dem Kapitän der Musketiere ins Exil gebracht würde. Er hütete sich indessen die Spur mit auffälligem Eifer zu verfolgen, da er d'Artagnan dadurch zu schaden fürchtete. In Antibes verloren sie die Spur, um sie auf ganz überraschende Weise wiederzufinden. Der Graf de la Fère beschloß einen Abstecher nach der Insel Santa Margareta zu machen, in der Hoffnung, dort mit seinem alten Freunde zusammenzutreffen, dem auch Rudolf vor seiner Reise nach Afrika noch einmal die Hand schütteln wollte.
Santa Margareta ist unbewohnt, und als Athos und Rudolf den Fuß an den Strand setzten, glaubten sie, ein kleines Paradies zu betreten, beim Anblick des breitenGürtels von früchteschweren Orangen- und Feigenbäumen, der das Gestade säumte. Bei jedem Schritt, den sie landeinwärts machten, stoben Rebhühner oder wilde Kaninchen auf. Die einzigen Menschen, die dort lebten, waren der Gouverneur und eine acht Mann zählende Besatzung, die das kleine Fort mit den acht verrosteten Kanonen innehatten. Dieser Gouverneur war also ein glücklicher Pflanzer, der Weintrauben, Feigen, Oliven und Apfelsinen erntete, ohne daß sein Garten ihm Mühe gemacht hätte. Einen guten Nebenverdienst bezog er aus seinen Beziehungen zu den Schmugglern, denen er in den Buchten des Eilands insgeheim Unterschlupf gewährte.
Athos und Rudolf schritten ein Weilchen längs des Zaunes hin, der den Garten umschloß, doch trafen sie niemand, der sie zum Gouverneur hätte führen können. In einiger Entfernung – zwischen dem zweiten und dem dritten Hofe – sah Athos einen Soldaten gehen, der einen Korb auf dem Kopfe trug und im Schatten des Schilderhauses verschwand. Der Graf glaubte, der Mann habe jemand etwas zu essen gebracht, und hoffte, er werde zurückkommen, so daß man ihn rufen könnte. Da hörte er selbst ein Geschrei und sah im Rahmen eines Fensters etwas Weißes, wie eine Hand, sich bewegen und im selben Augenblick etwas Blendendes, einer Waffe gleich, aufzucken und durch die Luft fliegen. Eine silberne Platte fiel zu ihren Füßen in den Sand, und Rudolf hob sie rasch auf. Sein Auge fiel sogleich auf eine am Boden der Schüssel eingekratzte Schrift, und er las folgende Worte in französischer Sprache:
»Ich bin der Bruder des Königs von Frankreich – heute gefangen, morgen wahnsinnig. Französische Edelleuteund Christen, betet zu Gott für die Seele und den Verstand des unglücklichen Sohnes Ludwig XIII.«
Rudolf ließ die Schüssel fallen. Gleichzeitig erklang ein Schrei vom Turme der kleinen Festung herüber. Bragelonne bückte sich blitzschnell und zwang seinen Vater dasselbe zu tun. Ein Musketenrohr zeigte sich über der Brüstung, ein Schuß fiel, und eine Kugel schlug dicht neben den beiden Reisenden in den Sand. Nach einigen Minuten erklang ein Trommelwirbel, und dann marschierten aus dem Tor die acht Musketiere der Festung, rückten vor, machten sich schußfertig und legten auf Befehl eines Offiziers auf die fremden Männer an.
»Donnerwetter!« schrie Athos. »Werden hier französische Kavaliere meuchlings niedergeknallt?« – Als der Offizier diese Stimme hörte, hob er rasch die Hand, befahl den Soldaten die Waffen zu senken und eilte mit dem Rufe: »Athos! Rudolf!« heran. Es war d'Artagnan, der sie im nächsten Augenblick an die Brust drückte. »Was bedeutet das?« fragte Athos erstaunt. »Potzblitz, ich wollte euch erschießen lassen, Freunde,« antwortete d'Artagnan. »Eine Sekunde noch, und ihr wart geliefert. Ein Glück, daß ich euch erkannt habe!«
»Aber warum schoß man überhaupt auf uns?« – »Wetter noch einmal, Sie haben zur Hand genommen, was der Gefangene Ihnen zuwarf,« erwiderte d'Artagnan. »Und er hatte etwas darauf geschrieben!« Mit diesen Worten bückte sich der Kapitän nach der Schüssel und las die Inschrift. »O, mein Gott!« rief er. »Sie sind verloren, wenn der Gouverneur ahnt, daß Sie das hier haben lesen können, daß Sie es verstanden haben. Ich werde Sie für
Weitere Kostenlose Bücher