Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
geworden, Freund,« erwiderte Athos »Ich mache mir nichts daraus, selbst zu sterben; aber ich sehe nicht gern die, die ich liebe, dahingehen. Wer stirbt, gewinnt, wer sterben sieht, verliert. Und ganz genau zu wissen, man wird denjenigen, den man über alles liebt, niemals wiedersehen – ach ja, ich bin eben alt, es fehlt mir an Mut. Doch ich will Gott nicht lästern, es ist schon genug, einem König geflucht zu haben.«
»Hm!« brummte d'Artagnan, überrascht über die Tiefe dieses Schmerzes, denn er hatte nicht geglaubt, daß »die Geschichte mit der kleinen Lavallière« ein so tragisches Ende nehmen sollte. – »Sehen Sie ihn nur an,« fuhrAthos fort. »Wie traurig er dreinschaut. Wie finster, wie furchtbar entschlossen. Er hat seine Rechnung gemacht, und es ist nichts mehr daran zu ändern. Er flieht den Hof, Paris, Frankreich, um nichts mehr zu sehen, weil er nicht will, daß seine Liebe in ihm sterbe. Er will das Mädchen, das die Gottheit seiner Jugend gewesen, in Ewigkeit liebbehalten, und deshalb geht er allem aus dem Wege, was etwa angetan sein könnte, sie vom Altar seines Herzens herabzustoßen.«
Sie schwiegen, denn Rudolf trat zu ihnen. Er hatte abseits gesessen und, in Gedanken versunken, zum Fenster hinausgeblickt. – »Herr d'Artagnan,« sprach er leise, »Sie kehren nach Paris zurück. Darf ich Sie um einen Dienst bitten? Wollen Sie Fräulein von Lavallière meinen letzten Gruß bringen?« – D'Artagnan nickte. »Was soll ich ihr sagen?« – »Die letzten Worte, die ich ihr sende,« antwortete Rudolf, »sind diese: Statt Ihnen zu fluchen, liebe ich Sie noch immer und sterbe.« – D'Artagnan sah auf. Er wollte Einspruch erheben, doch Rudolf ließ ihn nicht zu Worte kommen. »Sie werden ihr das sagen, nicht wahr?« drang er in ihn. – »Gewiß, gewiß, doch wann?« – »An dem Tage,« erwiderte Rudolf, »an welchem Sie ihr auch das Datum meines Todes angeben können.« – Darauf trat er rasch wieder zur Seite.
Der Gouverneur ging vorüber, und d'Artagnan zog seine Freunde in eine dunkle Ecke. – »Was gibt es wieder?« fragte Athos. – »Sie werden den Gefangenen sehen,« flüsterte d'Artagnan, »er kommt eben aus der Kapelle zurück.« –
Und im Scheine eines Wetterleuchtens, das den Himmel purpurrot färbte, sah man sechs Schritte hinter dem Gouverneur, ernst und langsam, einen jungen Mannschreiten, der schwarz gekleidet war und vor dem Gesicht eine Maske aus braunem Stahl trug, die mit einer den ganzen Kopf umschließenden, fest angelöteten Kappe aus dem gleichen Metall zusammenhing. Das Feuer des Himmels zeichnete matte Reflexe auf der blanken Oberfläche ab, und dieses Funkeln schien die grimmigen Blicke darzustellen, die der Unglückliche statt der Flüche schleuderte.
Der Jüngling blieb stehen und sah nach dem Horizont, atmete die laue Regenluft ein und stieß einen Seufzer aus, der wie ein tiefes Stöhnen klang. »Kommen Sie!« rief der Gouverneur ungeduldig. »Kommen Sie, Monsieur!« – »Sagen Sie Monseigneur!« rief Athos aus der Ecke hervor, in so feierlichem Tone, daß der Gouverneur heftig erschrak. Athos forderte Ehrfurcht vor der gefallenen Majestät. – »Wer hat gesprochen?« rief der Gouverneur. – »Ich,« sagte d'Artagnan und trat rasch vor. »Sie wissen, so lautet der Befehl.«
»Nennen Sie mich weder Monsieur noch Monseigneur,« sprach der Gefangene mit einer Stimme, die Rudolf im Innersten erschütterte und rührte; »nennen Sie mich Verfluchter!« – Und er ging weiter; die eiserne Pforte schloß sich hinter ihm. – »Dieser Mensch,« murmelte Rudolf, ihm nachschauend, »ist noch hundertmal unglücklicher als ich!«
Achter Teil
»Der Staat bin ich!«
1. Kapitel. Letzte Grüße
Ein Befehl Ludwigs XIV. rief d'Artagnan nach Paris zurück. Er brachte seine Freunde nach Toulon und nahm hier Abschied von ihnen. Lange hielt er sie umfangen, ohne ein Wort zu sprechen. Dann gab er dem Pferde die Sporen und jagte davon, ohne sich noch einmal umzuschauen. – »Ich hab's nicht über's Herz gebracht, ihnen zuzulächeln,« sprach er vor sich hin. »Das ist ein schlimmes Vorzeichen! Ich werde beide nicht wiedersehen.«
Die Straßen von Toulon waren von Soldaten und Pferden angefüllt. Herr von Beaufort betrieb die Einschiffung mit dem Eifer und der Geschicklichkeit eines geübten Truppenführers. Er prüfte selbst die Ausrüstung eines jeden Mannes, untersuchte jedes einzelne Pferd, guckte in jedes Flinten- und Kanonenrohr und überzeugte sich von der
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