Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
»Du kannst aber doch den Herrn Grafen nicht allein lassen,« sagte Bragelonne noch, »bist du doch dein Lebtag noch nie von ihm gegangen.« – Grimaud sah Athos an und murmelte: »Ihm wird es so lieber sein.« – Und Athos nickte stumm.
In der Stadt wirbelten die Trommeln, schmetterten die Trompeten. Man sah die Regimenter durch die Straßen zum Hafen ziehen.
Eine halbe Stunde später waren Rudolf und Grimaud an Bord, und Athos stand allein am Gestade. Die Schiffe verließen langsam eins nach dem andern die Reede und steuerten dem Meere zu. Athos verlor das Fahrzeug, das seinen Sohn trug, nicht aus den Augen. Er sah ihn an der Strickleiter hängen, die er erklommen hatte, um seinem Vater noch recht lange sichtbar zu bleiben. Die Gestalt ward kleiner und kleiner, glich nur noch einem Punkt, einem Nebelfleck und verschwand. Dann verlor sich auch die Spitze des Mastbaums am Horizont, und Athos kehrte, matt wie ein Kranker, in seine Herberge zurück.
Inzwischen war d'Artagnan auf schnellen Pferden nach Paris geeilt, um sich dem König zur Verfügung zu stellen. Er erhielt den Befehl, mit seinen Musketieren nach Nantes zu reiten, wo die Versammlung der Generalstände stattfinden sollte, und vor allem Herrn Fouquet im Auge zu behalten. Ludwig fürchtete, der Oberintendant könne von Nantes aus nach Belle-Ile entschlüpfen, und da er entschlossen war, ihn nicht fliehen zu lassen, sondern seine Rechnung sofort nach der Stände-Versammlung mit ihm abzuschließen, so legte er seinem Kapitän betreffs der Person Fouquets ganz besondere Wachsamkeit ans Herz. Beruhigt verließ der Musketier den König. Er hatte schon während der ganzen Reise mit Schrecken daran gedacht, daß Ludwig XIV. ihn nun wohl nach Belle-Ile schicken würde, um Aramis und Porthos zu verhaften und seiner Rache zu überliefern. Indem er sich der Trauer de la Fères und Bragelonnes erinnerte, gestand er sich mit Unwillen, daß diesem jungen, rücksichtslosen König nun doch noch alle seine alten Freunde zum Opfer fallen würden. Und ihn, d'Artagnan, bestimmte das Los zum Vollstrecker. Hatte doch wahrlich nicht viel gefehlt, so hätte er auf der Insel Santa Margareta Athos und Rudolf niederschießen lassen. Dann kehrten seine Gedanken zu dem armen Zwillingsbruder zurück, der so grausam verurteilt worden war. Beklommenen Herzens betrat er daher den Palast, stellte er sich dem König vor – aber die Person dieses Monarchen übte ihren alten Zauber auf ihn aus. Nachdem er mit ihm gesprochen, schien dem Kapitän nichts selbstverständlicher, nichts richtiger, als seine Befehle pünktlich zu vollziehen.
Ehe d'Artagnan den Louvre verließ, sprach er auch mit Luise von Lavallière. Er traf sie in einer Galerie,wo sie mit mehreren Hofdamen spazieren ging. Sie empfing nämlich in ihrer Eigenschaft als anerkannte erste und einzige Mätresse des Königs jetzt von allen Seiten die schwärmerischsten Huldigungen und hatte sozusagen ihren kleinen Hofstaat für sich. Obwohl d'Artagnan nie ein Freund von Weibern gewesen war, so mochten die Damen ihn doch gern leiden, denn er wußte sich ebenso gebildet zu unterhalten wie tapfer zu schlagen, und der Ruf seiner Tapferkeit und ritterlichen Gesinnung erwarb ihm neben der Freundschaft der Männer die Bewunderung der Frauen.
Die Ehrenfräulein riefen ihn nun gleich herbei, denn man wußte, daß er eine Zeitlang fern von Paris gewesen war, und hoffte allerlei Interessantes von ihm zu hören. Man bestürmte ihn mit Fragen: wohin die Reise ihn geführt hätte – warum man ihn so lange nicht gesehen – was er Neues zu erzählen habe.
Er antwortete, er komme aus dem Lande der Orangen. Es war damals noch eine Zeit, wo eine Reise von hundert Meilen schon ein Problem war, dessen Lösung oftmals der Tod bildete. – »Aus dem Lande der Orangen?« rief Fräulein von Tonnay-Charente. »Also aus Spanien?« – »Bewahre!« – »Dann vielleicht von Malta?« – »Da sind Sie schon näher, Fräulein,« entgegnete d'Artagnan, »ich will Sie nicht in Ungewißheit lassen. Ich komme aus dem Hafen, wo Herr von Beaufort eben die Fahrt nach Afrika antritt.« – »Haben Sie die Armee, die Flotte gesehen?« – »Alles.« – »Haben wir Freunde dabei?« fragte die Tonnay-Charente gleichgültig, aber doch in einem Tone, der die Absichtlichkeit dieser Frage erkennen ließ.
»Ja,« antwortete d'Artagnan, »die Herren vonGuillotière, von Mouchy und von Bragelonne sind dabei.« – Die Lavallière erbleichte. – »Ei was?« rief die
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