Die drei Musketiere
»die Königin ist, gottlob! noch in einem Alter, um der Krone einen Erben zu geben.«
»Man sagt, daß Herr von Buckingham in Frankreich sei,« sagte Aramis mit einem hämischen Lächeln, das dieser so einfach scheinenden Rede eine ziemlich ärgernisvolle Bedeutung gab. »Mein Freund Aramis,« fiel Porthos ein, »diesmal habt Ihr unrecht. Eure Wut nach Witzeleien reißt Euch stets über die Grenzen; wenn Euch Herr von Tréville hörte, so käme Euch eine solche Anspielung teuer zu stehen.«
»Gebt Ihr mir da eine Lektion, Porthos?« rief Aramis, während ein Blitz durch sein sanftes Auge zuckte. »Mein Lieber, seid Musketier oder Abbé; seid das eine oder das andere, aber nicht das eine und das andere,« erwiderte Porthos. »Es hat Euch doch Athos jüngst gesagt: Ihr esset von allen Haufen. O, ich bitte, grämt Euch nicht, es wäre unnütz; Ihr wißt recht gut, worüber Ihr, Athos, und ich übereingekommen sind. Ihr gehet zu Madame d'Aiguillon und machet ihr den Hof; Ihr geht zu Frau von Bois- Tracy, der Cousine der Frau von Chevreuse, und man erzählt sich, daß Ihr bei der Dame sehr in Gunst steht. Ach, mein Gott, sagt nichts von Eurem Glücke, man fragt Euch Euer Geheimnis nicht ab, man kennt ja Eure Verschwiegenheit. Da Ihr aber diese Tugend besitzt, so macht, zum Teufel, Gebrauch davon in bezug auf Ihre Majestät. Mit dem König und dem Kardinal beschäftige sich wer da will und wie er will, allein die Königin ist geheiligt, und wenn man von ihr spricht, so geschehe es in gutem Sinne.«
»Porthos! Ihr seid anmaßlich wie Narcissus,« entgegnete Aramis. »Ich sage Euch im voraus, und Ihr wisset bereits, daß ich die Moral hasse, außer sie kommt aus Athos' Munde. Was Euch anbelangt, mein Lieber, so habt Ihr ein viel zu hübsches Wehrgehänge, um stark zu sein. Ich werde Abbé, wenn es mir genehm ist, bis dahin bin ich Musketier, in dieser Eigenschaft sage ich, was mir beliebt, und in diesem Moment beliebt es mir zu sagen, daß Ihr mich belästigt.«
»Aramis!«
»Porthos!«
»He, meine Herren! meine Herren!« rief man rings umher. »Herr von Tréville erwartet Herrn d'Artagnan,« unterbrach sie der Lakai und öffnete die Tür des Kabinetts.
Auf diese Anmeldung, während der die Tür offen blieb, schwieg jeder, und mitten in diesem allgemeinen Schweigen schritt der jungeGascogner durch das Vorgemach und trat bei dem Kapitän der Musketiere ein, indem er sich im Herzen Glück wünschte, daß er gerade zu rechter Zeit dem Ausgang dieses wunderlichen Streites entschlüpfte.
Die Audienz.
Herr von Tréville war in diesem Moment in sehr übler Stimmung, dennoch begrüßte er artig den jungen Mann, der sich vor ihm bis zur Erde neigte, und nahm lächelnd sein Kompliment auf, da ihn die bearnische Mundart zugleich an seine Jugend und an sein Vaterland erinnerte – eine zweifache Erinnerung, die den Menschen jeden Alters zum Lächeln bringt. Indem er sich aber fast ebenso schnell dem Vorzimmer näherte und d'Artagnan mit der Hand ein Zeichen gab, als wollte er ihn um die Erlaubnis bitten, die andern abzufertigen, ehe er mit ihm anfinge, so rief er dreimal mit immer wachsender Stimme, so daß er alle Mittelstufen vom gebieterischen bis zornmütigen Tonausdruck durchging: »Athos! Porthos! Aramis!«
Die zwei Musketiere, mit denen wir bereits Bekanntschaft gemacht und die den zwei letzten dieser drei Namen antworteten, verließen allsogleich die Gruppen, unter denen sie standen und näherten sich dem Kabinett, dessen Tür sich hinter ihnen schloß, wie sie über die Schwelle traten. Obwohl ihre Haltung nicht ganz ruhig war, so erregte sie doch durch ihre zugleich würdevolle und ehrfurchtsvolle Ungezwungenheit die Bewunderung d'Artagnans, der in diesen Männern Halbgötter und in ihrem Oberhaupt einen olympischen Zeus erblickte, der mit all seinen Blitzen bewaffnet war. Als die Musketiere eingetreten waren, als die Tür hinter ihnen zuging, als das murmelnde Getöse im Vorgemach, dem jenes Rufen zweifelsohne neue Nahrung gegeben, wieder anfing, und Herr von Tréville endlich drei- oder viermal schweigend mit gerunzelter Stirn das Kabinett der ganzen Länge nach durchmessen hatte, indem er stets an Porthos und Aramis vorüberschritt, die starr und stumm wie auf der Parade dastanden, hielt er auf einmal vor ihnen an, betrachtete sie von Kopf bis zu den Füßen mit erzürntem Blick und sagte: »Wißt ihr, was mir der König gesagt hat, und das erst gestern abends? Meine Herren, wißt ihr das?«
»Nein,«
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