Die drei Musketiere
Überreste von verspeisten Schinken schwimmen, indes sich ein Haufen von zerbrochenen Flaschen im linken Kellerwinkel auftürmte, und ein Faß, dessen Pipe offengeblieben war, durch diese Öffnung die letzten Tropfen seines Blutes vergoß. Das Bild der Verwüstung und des Todes herrschte hier, wie ein alter Dichter sagt, gleichwie auf einem Schlachtfeld. Von fünfzig Würsten, die an den Stangen hingen, waren kaum mehr zehn übrig. Nun erschallte das Wehgeheul des Wirtes und der Wirtin durch das Kellergewölbe. D'Artagnan selbst ward von ihrem lauten Jammer gerührt, während Athos nicht einmal den Kopf umwandte. Aber auf das Leid folgte die Wut. Der Wirt bewaffnete sich mit einem Bratspieß und stürzte sich in das Zimmer, in das sich die zwei Freunde zurückgezogen hatten.
»Wein!« rief Athos, als er den Wirt sah.
»Wein!« versetzte der Wirt voll Erstaunen. »Wein! Sie haben mehr getrunken als für hundert Pistolen; ich bin geschlagen, verloren, zu Grunde gerichtet!«
»Bah,« sagte Athos, »unser Durst blieb sich immer gleich.«
»Wären Sie doch nur mit dem Trinken allein zufrieden gewesen, Sie haben aber auch alle Flaschen zerschlagen.«
»Nun, Ihr habt mich auf einen Haufen hingedrängt, der zu rollen anfing. Das ist Eure Schuld.«
»All mein Öl ging zu Grunde.«
»Öl ist ein Hauptbalsam für die Wunden, und der arme Grimaud mußte sich doch die Wunden, die Ihr ihm geschlagen habt, ein bißchen einreiben.«
»Alle meine Würste sind aufgezehrt.«
»Es gibt ungemein viel Ratten in diesem Keller.«
»Sie werden mir alles das bezahlen!« rief der Wirt höchst erbittert.
»Dreifacher Schuft!« schrie Athos und stand auf. Er fiel aber alsogleich wieder zurück und zeigte damit das Maß seiner Kräfte. D'Artagnan schwang seine Reitgerte und kam ihm zu Hilfe. Der Wirt trat zurück und brach in Tränen aus.
»Daraus werdet Ihr lernen,« sagte d'Artagnan, »die Gäste artiger zu behandeln, die Euch der Himmel schicken wird.«
»Der Himmel? – sagen Sie lieber: der Teufel!«
»Lieber Freund!« versetzte d'Artagnan, »wenn Ihr noch länger unsere Ohren quält, so sperren wir uns alle vier in Euren Keller und werden sehen, ob der Schaden wirklich so groß ist, wie Ihr angebt.«
»Nun ja, meine Herren,« sprach der Wirt, »ich bekenne, daß ich unrecht habe, doch Gnade für jede Sünde; Sie sind vornehme Herren, ich ein armer Gastwirt, haben Sie Mitleid mit mir.«
»Ha, wenn du so sprichst,« erwiderte Athos, »so zerreißest du mir das Herz und meinen Augen entströmen die Tränen, wie deinen Fässern der Wein entströmte. Man ist nicht so sehr ein Teufel, wie man aussieht. Komm, laß uns mitsammen plaudern.« Der Wirt trat ängstlich näher. »Komm, sage ich,« rief Athos, »und fürchte dich nicht. In dem Augenblick, wo ich dich bezahlen wollte, legteich meine Börse auf den Tisch.«
»Ja, gnädiger Herr!«
»Diese Börse enthielt sechzig Pistolen, wo ist sie?«
»Gnädiger Herr, sie ist in der Gerichtsstube deponiert; man sagte, daß es falsche Münze wäre.«
»Nun laß dir meine Börse zurückstellen und behalte die sechzig Pistolen.«
»Doch, gnädiger Herr, die Gerichtsstube wird nichts mehr zurückgeben; ja, wenn es wirklich falsches Geld wäre, könnte man noch hoffen, aber leider sind es gute Goldmünzen.«
»Das mach du mit der Gerichtsstube ab, braver Mann, darum kümmere ich mich nicht mehr, um so weniger, als mir kein Livre mehr bleibt.«
»Sagt,« fragte d'Artagnan, »wo ist das alte Pferd des Athos?«
»Im Stalle.«
»Was ist es wert?«
»Höchstens fünfzig Pistolen.«
»Es ist achtzig wert, nimm es, und so ist alles in Richtigkeit.«
»Wie doch, du verkaufst mein Pferd,« rief Athos, »du verkaufst meinen Bajazet? worauf soll ich den Feldzug machen, auf Grimaud?«
»Ich brachte dir ein anderes Pferd,« entgegnete d'Artagnan.
»Und zwar ein prachtvolles!« rief der Wirt.
»Nun, wenn ich ein schöneres und jüngeres bekomme, so nimm das alte und bringe zu trinken.«
»Von welchem?« fragte der Wirt ganz erheitert.
»Von jenem, der hinten auf den Latten liegt; es sind noch fünfundzwanzig Flaschen davon vorhanden; die andern habe ich bei meinem Fall zerschlagen. Schnell!«
»Das ist doch ein Teufelsmensch!« murmelte der Wirt in den Bart, »wenn er noch vierzehn Tage hierbleibt und alles bezahlt, was er trinkt, so bin ich wieder aufgerichtet.«
»Und vergiß nicht,« rief ihm d'Artagnan nach, »vier Bouteillen von demselben auch den zwei Engländern zu
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