Die drei Musketiere
geerbt hat. Wie gesagt, es ist ein Kleinod, das von der Familie nie wegkommen sollte.«
»Und Sie haben ihn doch verkauft?« fragte d'Artagnan zögernd. »Nein,« versetzte Athos mit einem seltsamen Lächeln; »ich habe ihn bei einem Liebesabenteuer verschenkt, wie Sie ihn erhalten haben.« D'Artagnan wurde gleichfalls tiefsinnig; es dünkte ihn, als sähe er im Leben der Mylady Abgründe düsterer, schreckenvoller Art. Er steckte den Ring nicht mehr an den Finger, sondern in die Tasche, »Hören Sie,« sprach Athos, ihn bei der Hand fassend, »Sie wissen, d'Artagnan, daß ich Sie liebe, hätte ich einen Sohn, könnte ich ihn nicht mehr lieben. Gut, glauben Sie mir, entsagen Sie dieser Frau. Ich kenne Sie zwar nicht, jedoch eine gewisse Ahnung sagt mir, sie sei ein verlorenes Geschöpf und habe etwas Unseliges an sich.«
»Sie haben auch recht,« sagte d'Artagnan, »glauben Sie mir, ich trenne mich von ihr und gestehe, daß sie auch mich mit Schrecken erfüllt.«
»Werden Sie diesen Mut haben?« fragte Athos. »Ich werde ihn haben, und das auf der Stelle,« antwortete d'Artagnan. »Ganz gut, mein Kind, Sie haben recht,« versetzte der Edelmann und drückte dem Gascogner die Hand mit fast väterlicher Zuneigung. »Und Gott gebe, daß diese Frau, die kaum in Ihre Lebensbahn eingetreten ist, darin keine traurige Spur zurücklasse.« Athos begrüßte d'Artagnan mit einem Kopfnicken, wie ein Mann, der damit sagen wollte, er möchte mit seinem Gedanken gern allein bleiben.
Als d'Artagnan nach Hause kam, traf er Ketty, die auf ihn wartete. Ein Monat Fieber hätte das arme Kind nicht mehr verändert, als der Schmerz und Eifersucht in einer Stunde getan haben. Sie ward von ihrer Gebieterin zum Grafen von Wardes geschickt. Ihre Gebieterin war toll vor Liebe, berauscht vor Freude. Sie wolltewissen, wann ihr der Graf eine Zusammenkunft gebe. Die arme Ketty erwartete blaß und zitternd d'Artagnans Antwort. Anstatt zu antworten, nahm er eine Feder und schrieb folgendes Briefchen, das er gleichfalls, wie das vorhergehende, nicht unterzeichnete: »Zählen Sie nicht auf mich, Madame, denn seit meiner Genesung habe ich so vielen Genüssen dieser Art nachzukommen, daß ich in diese Angelegenheiten eine gewisse Ordnung bringen muß. Wenn die Reihe an Sie kommt, werde ich die Ehre haben, es Ihnen bekanntzugeben. Meinen Handkuß.« Von dem Saphir sprach er kein Wort; der Gascogner wollte ihn bis auf weiteren Befehl als eine Waffe gegen Mylady, bewahren. Übrigens täte man unrecht, wollte man die Handlungen einer Zeitperiode aus dem Gesichtspunkt einer andern betrachten. Was man heute als eine Schmach für einen Mann von Bildung ansehen würde, das war damals etwas ganz Einfaches und Natürliches gewesen. D'Artagnan gab Ketty den Brief unversiegelt; sie las ihn. ohne ihn sogleich zu verstehen, und wurde fast verrückt, als sie ihn zum zweitenmal las. Ketty konnte nicht an dieses Glück glauben. D'Artagnan mußte ihr mündlich die Versicherung wiederholen, die ihr der Brief schriftlich gab. Wie groß auch die Gefahr war, welche die Arme bei dem leidenschaftlichen Charakter der Mylady zu bestehen hatte, wenn sie ihr dieses Briefchen überbrachte, so kehrte sie doch, so schnell sie konnte, nach der Place-Royale zurück. Das Herz der besten Frau ist bei den Leiden einer Nebenbuhlerin unbarmherzig. Mylady entfaltete den Brief mit derselben Eilfertigkeit, mit der ihn die Zofe überbracht hatte; doch wurde sie schon bei den ersten Worten leichenfahl, dann zerkrümmte sie das Papier und sprach mit blitzenden Augen zu Ketty gewendet: »Was soll's mit diesem Brief?«
»Nun. es ist die Antwort auf jenen der gnädigen Frau.« sagte Ketty ganz bebend.
»Unmöglich,« rief Mylady, »unmöglich kann ein Edelmann einen solchen Brief an eine Frau geschrieben haben!« Dann rief sie auf einmal wieder: »Mein Gott! könnte er wissen!? ...« Sie hielt plötzlich inne, knirschte mit den Zähnen und ihr Antlitz ward leichenfahl. Sie wollte sich dem Fenster nähern, um frische Luft zu schöpfen, doch vermochte sie nur den Arm auszustrecken, es versagten ihr die Kräfte, sie sank zurück auf einen Stuhl. Ketty dachte, sie befinde sich unwohl und eilte zu ihr, um ihr die Schnürbrust zu lüften. »Was willst du,« kreischte sie, »was legst du Hand an mich?«
»Ich glaubte, daß sich Mylady unwohl befinde, und wollte Beistand leisten,« versetzte die Zofe ganz erschreckt über den entsetzlichen Ausdruck, den das Gesicht ihrer Herrin angenommen hatte.
»Ich
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