Die drei Musketiere
in das Hotel der Musketiere und man wird Ihr Pferd mit den unsrigen hierherbringen.«
»Ganz wohl, aber es ist bald fünf Uhr, eilen wir.« Eine Viertelstunde darauf erschien Porthos am Ende der Gasse Féron auf einem herrlichen Gaul. Mousqueton folgte ihm auf einem Pferd aus der Auvergne, das kleiner, doch kräftig war. Porthos strahlte vor Stolz und Freude und alle vier ritten nach dem Quai. Dieser Reitzug tat gute Wirkung, wie es Porthos voraussah, und hätte sich Madame Coquenard aus dem Weg eingefunden und gesehen, wie herrlich er sich auf seinem spanischen Gaul ausnahm, so würde sie den Aderlaß an der Geldkiste ihres Mannes nicht beklagt haben.
In der Nähe des Louvre stießen die vier Freunde auf Herrn von Tréville, der eben von Saint-Germain zurückkehrte. Er hieß sie anhalten, damit er ihnen sein Kompliment über ihre Equipierung mache, bei welcher Gelegenheit sie augenblicklich von hundertPflastertretern umgeben wurden. D'Artagnan benutzte diesen Umstand, um mit Herrn von Tréville von dem Briefe mit dem großen roten Siegel und dem herzoglichen Wappen zu sprechen. Es läßt sich erachten, daß er von dem andern keine Silbe erwähnte. Herr von Tréville genehmigte seinen Entschluß und gab ihm die Versicherung, falls er am andern Morgen nicht erschienen wäre, so hätte er ihn, wo er auch stecken mochte, zu finden gewußt. In diesem Moment schlug die Glocke von Samaritaine sechs Uhr. Die vier Freunde entschuldigten sich mit einer Zusammenkunft, und beurlaubten sich von Herrn von Tréville. Sie ritten im Galopp nach der Straße Chaillot.
Nach einer Viertelstunde des Wartens endlich, da es völlig Abend geworden war, rollte ein Wagen im starken Galopp auf der Straße von Sévres heran. Eine Ahnung sagte d'Artagnan im voraus, in diesem Wagen müsse die Person sitzen, die ihn hierher bestellt hatte. Der junge Mann erstaunte selbst darüber, wie ungestüm sein Herz schlug. Fast in demselben Moment schlüpfte ein Frauenkopf aus dem Kutschenschlag hervor, zwei Finger auf dem Munde, die entweder Stillschweigen anzeigten, oder einen Kuß zuwarfen. D'Artagnan stieß einen leisen Schrei des Entzückens aus. Diese Frau oder vielmehr diese Erscheinung, denn der Wagen rollte mit der Schnelligkeit einer Vision vorüber, war Madame Bonacieux. Durch eine unwillkürliche Bewegung und ungeachtet der erhaltenen Weisung setzte d'Artagnan sein Pferd in Galopp und erreichte den Wagen mit einigen Sätzen wieder, allein das Fenster des Kutschenschlages war hermetisch verschlossen, die Erscheinung war verschwunden. Jetzt erst gedachte d'Artagnan der Worte, die man ihm in dem Briefchen empfohlen: »Wenn Ihnen an Ihrem Leben und an dem derjenigen gelegen ist, die Sie lieben, so bleiben Sie unbeweglich, als hätten Sie gar nichts gesehen.« Er hielt also an und zitterte, nicht für sich, sondern für die arme Frau, die sich offenbar einer großen Gefahr aussetzte, indem sie ihm hier ein Rendezvous gegeben hatte. Die Kutsche setzte ihren Weg in gleichem Zuge fort und verlor sich alsbald innerhalb Paris. D'Artagnan blieb ganz verwirrt an derselben Stelle und wußte nicht, was er denken sollte. Wenn es Madame Bonacieux war und sie kehrte nach Paris zurück, warum dieses flüchtige Stelldichein? warum dieser einfache Austausch eines Blickes? warum dieser verlorene Kuß? Wenn es dagegen nicht sie war, was immerhin sein konnte, denn das schwache Tageslicht machte leicht einen Irrtum möglich; wenn es nicht sie war, sollte es dann nicht der Anfang eines Handstreichs sein, den man gegen ihn mit dem Köder dieser Frau ausführen wollte, da man seine Liebe für dieselbe kannte? Die drei Gefährten näherten sich ihm. Alle drei sahen deutlich einen Frauenkopf aus dem Kutschenschlag erscheinen, doch keinervon ihnen, Athos ausgenommen, kannte Madame Bonacieux. Übrigens glaubte Athos, sie sei es gewesen, beschäftigte sich aber weniger unruhig als d'Artagnan mit diesem hübschen Gesicht, und vermeinte im Hintergrund des Wagens einen Männerkopf bemerkt zu haben. »Wenn das der Fall ist,« versetzte d'Artagnan, »so wird sie zweifelsohne aus einem Gefängnis in das andere gebracht. Was wollen sie aber mit diesem armen Wesen? und wie soll ich sie jemals wiederfinden?«
»Freund,« entgegnete Athos ernst, »bedenken Sie, daß man nur bei den Toten nicht Gefahr läuft, ihnen je wieder auf Erden zu begegnen. Nicht wahr, Sie wissen das so gut wie ich? Wenn nur Ihre Geliebte nicht tot ist, wenn sie es war, die wir eben begegneten, so werden Sie
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