Die drei Musketiere
seiner Ehre zum Opfer bringen wollte; die Mordlust kehrte glühend zurück und packte ihn mit der Heftigkeit eines Fiebers. Er stand gleichfalls auf, langte mit der Hand nach seinem Gürtel, zog eine Pistole hervor und spannte dieselbe. Mylady, die blaß wie eine Leiche wurde, wollte schreien, aber über ihre eisig erstarrte Zunge kam nur ein rauher Laut, ähnlich dem Röcheln eines wilden Tieres; und, an die finstere Wand gedrückt, schien sie mit ihren aufgelösten Haaren das Bild des Schauders zu sein. Athos richtete die Pistole langsam in die Höhe, streckte die Hand derart aus, daß das Gewehr fast die Stirn der Mylady erreichte, und sprach hierauf mit einer Stimme, die um so schauerlicher klang, da sich darin die erhabene Ruhe eines unbeugsamen Entschlusses kundgab: »Madame, übergebt mir auf der Stelle das Papier, das Euch der Kardinal unterzeichnet hat, oder ich will Euch, bei meiner Seele! den Kopf zerschmettern. Ihr habt nur eine Sekunde zur Entscheidung!« rief er ihr zu. Mylady sah an seiner verzerrten Miene, daß der Schuß losgehen sollte; sie fuhr rasch mit der Hand nach ihrem Busen, nahm ein Papier hervor und reichte es Athos, indem sie sprach: »Da nehmt und seid verflucht!« Athos nahm das Papier, steckte die Pistole wieder in den Gürtel, trat zu der Lampe hin, um sich zu überzeugen, daß es wirklich das verlangte Papier sei, entfaltete es und las: »Der Träger dieses hat auf meinen Befehl und zur Wohlfahrt des Staates gehandelt. Den 3. August 1628. Richelieu.«
»Und jetzt,« sprach Athos, indem er seinen Mantel wieder nahm und den Hut auf den Kopf setzte, »jetzt, da ich dir die Zähne ausgerissen habe, beiß, wenn du kannst, Viper!« Er verließ sodann das Zimmer, ohne sich umzusehen. Vor der Tür traf er die zwei Männer und das Pferd, das sie an der Hand hielten. Er sprach zu ihnen: »Meine Herren, Monseigneur gab Befehl, wie Ihr wisset, die Frau ungesäumt nach dem Fort de la Point zu führen, und sie erst dann zu verlassen, wenn sie an Bord sein wird.« Da diese Worte auch wirklich mit dem erhaltenen Auftrag übereinstimmten, so neigten sie sich zum Zeichen der Willfährigkeit.
Athos schwang sich gewandt in den Sattel und sprengte davon. Aber statt der Straße zu folgen, ritt er quer durch das Feld, setzte seinem Renner die Sporen ein, und hielt manchmal an, um zu horchen.Auf diesem Ritt vernahm er von der Straße her das Gestampfe von mehreren Pferden. Er zweifelte nicht, daß das der Kardinal mit seiner Begleitung sei. Er sprengte nun hastig voraus und hielt etwa zweihundert Schritte vor dem Lager mitten auf der Straße an. »Wer da?« rief er aus der Ferne, als er die Reiter kommen sah. »Das ist unser wackerer Musketier, wie ich glaube,« sagte der Kardinal. »Ja, er ist es, Monseigneur,« gab Athos zur Antwort. »Herr Athos,« sagte Richelieu, »nehmt meinen Dank hin, daß Ihr für uns so gut die Wache versehen habt. Meine Herren, wir sind am Ziele; reitet durch das Tor links, das Losungswort ist: Der König und Ré.« Nach diesen Worten winkte der Kardinal den drei Freunden seinen Gruß zu, und ritt, von seinem Stallmeister gefolgt, nach dem Tore rechts, da er diese Nacht gleichfalls im Lager verbrachte.
Wie es Athos vorhergesehen hatte, war Mylady ohne Schwierigkeit den Männern gefolgt, die am Tor auf sie warteten. Sie hatte wohl einen Augenblick Lust, sich zum Kardinal führen zu lassen und ihm alles zu erzählen, allein eine Entdeckung von ihrer Seite führte zu einer Entdeckung von seiten Athos'; sie könnte wohl klagen, Athos hätte sie gehenkt, doch Athos würde enthüllen, sie sei gebrandmarkt; somit hielt sie es für das Klügste, zu schweigen, ganz sachte abzureisen, ihre Sendung gewandt zu erfüllen, und hätte sie alles zur Zufriedenheit des Kardinals ausgeführt, von ihm Rache zu verlangen. Nachdem sie nun die ganze Nacht hindurch gereist war, kam sie um sieben Uhr früh in Fort de la Pointe an; um acht Uhr war sie bereits an Bord, um neun Uhr lichtete das Schiff die Anker und machte sich segelfertig nach England.
Der Rat der Musketiere
Wie es Athos vorhergesehen hatte, war die Bastei, die man kurz zuvor eingenommen hatte, nur von einem halben Dutzend Toter, sowohl Franzosen als Rocheller, eingenommen. »Meine Herren!« rief Athos, der bei dieser Expedition das Kommando führte, »indes Grimaud die Tafel zurechtmacht, wollen wir die Gewehre und Patronen sammeln. Übrigens können wir uns mitten unter diesem Geschäft besprechen, denn diese Herren hören uns
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