Die drei Musketiere
»ich werde deren zehn haben.«
»Nun, gut, so ist es die einfachste Sache von der Welt.Liefern Sie mir diesen Beweis, und ich schicke ihn in die Bastille.«
»Gut, Monseigneur, und dann?...«
»Wenn man in die Bastille kommt, gibt es kein ›dann‹,« erwiderte der Kardinal mit dumpfer Stimme, »Ha, bei Gott,« fuhr er fort, »wär' es mir doch so leicht, mich von meinen Feinden zu befreien, wie es mir leicht fällt, Sie des Ihrigen zu entledigen, und wenn Sie gegen solche Leute Straflosigkeit von mir ansprechen wollten...«
»Monseigneur,« entgegnete Mylady, »Tausch um Tausch, Leben um Leben, Menschen um Menschen, geben Sie mir diesen und ich gebe Ihnen den andern.«
»Ich weiß es nicht, was Sie da sagen wollen,« versetzte der Kardinal, »ja, ich mag es nicht wissen; allein ich nähre den Wunsch, Ihnen gefällig zu sein, und ich sehe nichts Ungereimtes darin, Ihnen zuzugestehen, was Sie in bezug auf ein so geringfügiges Wesen verlangen, zumal da dieser kleine d'Artagnan ein lockerer Zeisig, ein Raufbold und Verräter ist.«
»Ein Elender, Monseigneur, ein Elender!«
»Geben Sie mir Tinte, Feder und Papier,« sprach der Kardinal. »Hier, Monseigneur!«
»Gut.« Es trat auf ein Weilchen Stillschweigen ein. »Nun, was willst du?« fragte Porthos, »und warum läßt du uns nicht das Ende der Unterredung noch behorchen?«
»Still,« erwiderte Athos leise; wir haben alles gehört, was notwendig war; übrigens hindere ich Euch nicht, den Rest zu behorchen, aber ich muß fort.«
»Du mußt fort?« fragte Porthos. »Wenn aber der Kardinal nach dir fragt, was sollen wir antworten?«
»Wartet nicht darauf, bis er nach mir fragt, sondern sagt ihm, daß ich als Kundschafter vorausritt, weil mich gewisse Äußerungen des Wirtes auf den Gedanken brachten, daß der Weg nicht sicher sei. Außerdem werde ich dem Stallmeister des Kardinals ein paar Worte zuflüstern, das übrige betrifft mich, kümmere dich nicht.«
»Sei besonnen, Athos,« versetzte Aramis. »Sei unbesorgt,« sagte Athos, »Ihr kennt doch mein kaltes Blut.« Porthos und Aramis nahmen wieder ihren Platz bei der Ofenröhre ein.
Eine Eheszene
Wie es Athos vorhersah, kam der Kardinal alsbald herab; er öffnete die Tür des Zimmers, worin sich die Musketiere befanden, und traf Porthos und Aramis in einem sehr lebhaften Würfelspiel begriffen. Er durchspähte mit raschem Blick alle Winkel und sah, daß einer von seinen Leuten abging. »Wo ist Athos hingegangen?« fragte er. »Monseigneur,« entgegnete Porthos, »er ist als Kundschafter fortgeritten, infolge einer Äußerung unseres Wirtes, aus der hervorging, daß der Weg nicht sicher sei.«
»Und was habt Ihr getan, Herr Porthos?«
»Ich habe Aramis fünf Pistolen abgewonnen.«
»Und könnt Ihr jetzt mit mir zurückreiten?«
»Wir sind zu Befehl EurerEminenz.«
»Also zu Pferde, meine Herren, denn es ist spät.« Der Stallmeister stand am Tor und hielt das Pferd des Kardinals beim Zaum. Eine Gruppe von zwei Menschen und drei Pferden zeigte sich in der Dunkelheit. Das waren die zwei Männer, die Mylady nach dem Fort de la Pointe zu geleiten und ihre Einschiffung zu besorgen hatten.
Athos war etwa hundert Schritte weit im gleichen Tempo fortgeritten, doch als er aus dem Gesicht war, lenkte er sein Pferd nach der rechten Seite, machte einen Umweg und kehrte auf etwa zwanzig Schritte in das Gehölz zurück, um das Vorüberziehen der kleinen Truppe zu belauschen. Als er die verbrämten Hüte seiner Freunde und die goldenen Fransen des Kardinals erkannte, wartete er so lange, bis die Reiter um die Straßenecke bogen, und kaum hatte er sie aus den Augen verloren, sprengte er im Galopp zurück nach der Schenke, die ihm ohne Schwierigkeit geöffnet wurde. Der Wirt erkannte ihn wieder. Athos sprach zu ihm: »Mein Offizier hat vergessen, der Dame im ersten Stock eine höchst wichtige Angelegenheit zu empfehlen, und so sandte er mich ab, daß ich seinen Fehler verbessere.«
»Gehen Sie hinauf,« versetzte der Wirt, »sie ist noch in ihrem Zimmer.« Athos benutzte die Erlaubnis, stieg so leise wie möglich über die Treppe, gelangte auf den Flur, und sah durch die halbgeöffnete Tür Mylady, die eben ihren Hut band. Er trat in das Zimmer und sperrte die Tür hinter sich ab. Athos blieb an der Tür stehen, in seinen Mantel gehüllt und den Hut tief in die Augen gedrückt. Als Mylady diese stumme, regungslose, einer Statue ähnliche Gestalt sah, bekam sie Angst und rief: »Wer seid Ihr? und was wollt Ihr?«
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