Die drei Musketiere
nicht,« fügte er hinzu, indem er auf die Toten zeigte. »Wir könnten sie immerhin in die Gräben hinabwerfen,« versetzte Porthos, »wenn wir uns vorher versichert, daß sie nichts in den Taschen haben.«
»Ja,« erwiderte Athos, »doch das ist ein Geschäft für Grimaud.«
»Wohl,« entgegnete d'Artagnan, »Grimaud mag sie untersuchen und dann über die Mauer werfen.«
»O, nicht doch,« sagte Athos, »sie können uns dienlich sein.«
»Die Toten können uns dienlich sein?« fragte Porthos, »ei, Freund,du faselst.«
»Urteilt nicht voreilig,« antwortete Athos. »Wieviel Büchsen, meine Herren?«
»Zwölf,« sagte Aramis. »Wieviel Schüsse zum Abfeuern?«
»Etwa hundert, das ist soviel als nötig ist; lasset uns laden.«
»Meine Herren,« versetzte Athos, »ich hoffe Euch zugleich Vergnügen und Ruhm zu verschaffen. Ich ließ Euch einen reizenden Spaziergang machen; hier steht ein sehr einladendes Frühmahl, und dort unten sind fünfhundert Personen, wie Ihr durch die Schießscharten sehen könnt, die uns für Narren oder für Helden halten; zwei Gattungen Schwachköpfe, die sich ziemlich ähnlich sind.«
»Doch das Geheimnis?« rief d'Artagnan. »Das Geheimnis«, sagte Atyus, »ist, daß ich gestern abends Mylady sah.« D'Artagnan bewegte eben sein Glas an die Lippen, doch bei dem Namen Mylady bebte seine Hand derart, daß er es auf den Boden stellte, um den Inhalt nicht auszuschütten. »Nu sahst deine Gem...«
»Stille doch,« unterbrach ihn Athos. »Ihr vergeßt, mein Lieber, daß diese Herren nicht wie Ihr in das Geheimnis meiner häuslichen Angelegenheit eingeweiht sind. Ich sah Mylady.«
»Wo das?« fragte d'Artagnan. »Etwa zwei Meilen von hier in der Schenke ›Zum roten Taubenschlag‹.«
»Wenn das ist, so bin ich verloren,« sagte d'Artagnan. »Nein, noch nicht so ganz,« erwiderte Athos, »denn zu dieser Stunde muß sie die Küste Frankreichs verlassen haben.« D'Artagnan atmete wieder. »Aber sagt doch, wer ist denn diese Mylady?« fragte Porthos. »Eine reizende Frau,« entgegnete Athos, indem er sein Glas perlenden Wein schlürfte. »Ja, es ist eine reizende Frau, welcher Freund d'Artagnan hier einen schlimmen Streich gespielt hat, wofür sie sich damit zu rächen suchte, daß sie ihn vor einem Monat mit Musketenschüssen töten lassen wollte, und daß sie gestern vom Kardinal seinen Kopf verlangte.«
»Wie, sie hat vom Kardinal meinen Kopf verlangt?« fragte d'Artagnan, vor Schrecken blaß. »Ja,« versetzte Athos, »es ist die lautere Wahrheit, ich hörte es mit meinen eigenen Ohren.«
»Ich gleichfalls,« fügte Uranus hinzu. »Nun,« rief d'Artagnan, indem er mutlos die Arme sinken ließ, »nun ist es unnütz, länger zu kämpfen; es ist besser, ich jage mir eine Kugel durch den Kopf, und alles ist vorüber.«
»Das ist die letzte Dummheit, die man zu begehen hat, sagte Athos, »denn sie ist die einzige, für die es kein Gegenmittel gibt.«
»Doch solchen Feinden werde ich niemals entschlüpfen,« versetzte d'Artagnan, »zuvörderst meinem Unbekannten in Meung, dann Herr« von Wardes, dem ich vier Degenstiche versetzte; ferner Mylady, deren Geheimnis ich entdeckte, und endlich dem Kardinal, dessen Rache ich vereitelt habe.«
»Nun,« sagte Athos, »alles das macht zusammen nur vier. Einer gegen einen, beim Himmel! Wenn wir den Zeichen glauben dürfen, die uns Grimaud gibt, so werden wir mit einer größeren Anzahl zu tun bekommen. Was ist's, Grimaud? Wegen derWichtigkeit der Umstand« erlaube ich dir zu reden, Freund, aber kurz gefaßt, wenn ich bitten darf; was siehst du?«
»Eine Truppe.«
»Von wieviel Leuten?«
»Von zwanzig.«
»Was für Leute?«
»Sechzehn Gefangene, vier Soldaten.«
»Wie weit von uns entfernt?«
»Fünfhundert Schritte.«
»Gut, wir haben noch Zeit, dieses Geflügel ganz zu verzehren« und ein Glas Wein zu trinken. Auf deine Gesundheit. b'Artagnan!«
»Auf deine Gesundheit!« wiederholten Porthos und Aramis. »Gut denn, auf meine Gesundheit, obwohl ich nicht glaube, daß mir Eure Wünsche viel frommen werden.«
»Bah!« rief Athos, »Gott ist groß, wie die Mohammedaner sagen, und die Zukunft ruht in seiner Hand.« Athos trat zu einer Schießscharte, Porthos, Aramis und d'Artagnan taten desgleichen. Grimaud mußte sich hinter die vier Freunde stellen und die Gewehre wieder laden. Ein Weilchen darauf sah man die Truppe erscheinen: sie schritt durch eine Art Schlauchgraben, der die Bastei mit der Stadt verband. »Bei Gott!« rief Athos, »es
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