Die drei Musketiere
habt.«
»Du hast uns also verlassen, um zu ihr zurückzukehren?« fragte Aramis. »Ja.«
»Und du bist im Besitz der Schrift des Kardinals?« fragte d'Artagnan. »Hier ist sie,« entgegnete Athos. Er nahm das kostbare Papier aus der Tasche. D'Artagnan entfaltete es unter einem Zittern, das er nicht zu bergen vermochte und las: »Der Trägerdieses hat auf meinen Befehl und zur Wohlfahrt des Staates gehandelt. Den 3. August 1628. Richelieu.«
»Wahrlich,« rief Aramis, »das ist eine Lossprechung nach allen Regeln.«
»Man muß dieses Papier vertilgen,« sagte d'Artagnan, dem es vorkam, als läse er darin sein Todesurteil. »Das muß man im Gegenteil sorgsam aufbewahren,« erwiderte Athos; »ich gäbe dieses Papier nicht her, und wenn man es mir mit Goldstücken überdecken wollte.«
»Und was mag sie jetzt wohl tun?« fragte der junge Mann. »Nun,« versetzte Athos gleichgültig, »sie wird dem Kardinal wahrscheinlich schreiben, daß ihr ein verdammter Musketier namens Athos gewaltsam ihren Geleitbrief weggenommen habe. Auch wird sie ihm darin den Rat erteilen, daß er sich zugleich seiner und seiner zwei Freunde Porthos und Aramis entledigen wolle. Der Kardinal wird sich erinnern, daß es dieselben Männer seien, denen er jederzeit auf seinen Wegen begegnet ist. Sofort wird er an einem hübschen Morgen d'Artagnan einziehen lassen, und damit er sich nicht ganz allein zu sehr langweile, wird er auch uns in die Bastille schicken, um ihm Gesellschaft zu leisten.«
»He da, mein Lieber,« sagte Porthos, »es scheint, daß du da traurige Spaße machst.«
»Ich scherze nicht,« versetzte Athos. »Weißt du,« sprach Porthos, »daß es keine so schwere Sünde wäre, dieser verdammten Mylady den Hals umzudrehen, als dasselbe den armen Teufeln von Hugenotten zu tun, die keine andere Sünde begangen haben, als daß sie die Psalmen französisch singen statt, wie wir, lateinisch?«
»Was spricht Aramis dazu?« fragte Athos gelassen. »Ich sage,« antwortete Aramis, »daß ich die Ansicht von Porthos teile.«
»Ich gleichfalls,« bemerkte d'Artagnan. »Glücklicherweise ist sie von hier fern,« sagte Porthos, »denn ich gestehe, daß sie mich hier beengen würde.«
»Sie beengt mich ebensowohl in England wie in Frankreich,« sprach Athos. »Sie beengt mich überall,« fügte d'Artagnan hinzu. »Da du sie aber in deinen Händen hattest,« rief Porthos, »warum hast du sie nicht ertränkt, erwürgt, aufgehenkt? – Nur die Toten kommen nicht mehr.«
»Mir kommt ein Gedanke,« sprach d'Artagnan. »Sprecht,« riefen die Musketiere. »Zu den Waffen!« schrie Grimaud. Die jungen Männer rafften sich schnell auf, und eilten zu ihren Gewehren.
Es marschierte ein kleiner Heerhaufe heran, der aus zwanzig bis fünfundzwanzig Mann bestand; doch waren es nicht mehr Arbeiter, sondern Soldaten der Besatzung. »Wollen wir doch ins Lager zurückkehren,« rief Porthos, »denn mir scheint, die Kräfte sind ungleich.«
»Das ist aus drei Gründen unmöglich,« erwiderte Athos; »fürs erste haben wir unser Frühstück noch nicht ganz verzehrt, fürs zweite haben wir uns noch wichtige Dinge mitzuteilen, und fürs dritte fehlen noch zehn Minuten, bis die Stunde voll ist.«
»Wohlan,« sagte Aramis,»wir müssen aber einen Schlachtplan entwerfen.«
»Die Sache ist ganz einfach,« entgegnete Athos, »wir geben Feuer, wie der Feind in die Schußweite vorrückt. Dringt er noch weiter vor, so feuern, wir abermals und schießen fort, so lang wir geladene Büchsen haben; will dann der Überrest jener Truppen Sturm laufen, so lassen wir die Belagerer bis zum Graben herankommen, und werfen ihnen dann einen Flügel von dieser Mauer, die nur durch ein Wunder im Gleichgewicht steht, über die Köpfe.«
»Bravo,« rief Porthos. »Du bist ausgemacht zum General geboren, Athos, und der Kardinal, der sich für einen großen Krieger hält, darf sich mit dir nicht vergleichen.«
»Meine Herren,« sprach Athos, »ich bitte, teilt Euch nicht zu zweien, jeder nehme seinen Mann auf sich.«
»Ich habe den meinigen,« rief d'Artagnan. »Und ich den meinigen,« sagte Porthos. »Ich gleichfalls,« versetzte Aramis. »Gebt Feuer!« rief Athos. Die vier Schüsse waren nur ein Knall, und vier Soldaten stürzten nieder. Sogleich schlug der Tambour, und die kleine Truppe lief Sturm. Darauf fielen die Schüsse regelmäßig hintereinander, und waren aufs genaueste gezielt, allein die Rocheller rückten stets im Sturmschritt vor, als kannten sie die numerische
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