Die drei Musketiere
sagte Buckingham, »fort von mir und auf der Stelle in Haft.«
»Und Sie, Mylord! Sie werden mich bis zum Schluß anhören. Sie haben das junge Mädchen verleitet, mißhandelt, gebrandmarkt. Machen Sie Ihre Schuld gegen sie wieder gut. lassen Sie sie frei, und ich will von Ihnen nichts weiter verlangen.«
»Ihr werdet nichts weiter verlangen?« wiederholte Buckingham, indem er Felton voll Staunen anblickte, und auf jede Silbe dieser fünf Worte einen besonderen Nachdruck legte. »Mylord,« fuhr Felton fort, und zwar mehr aufgeregt, je länger er sprach, »man ist Ihrer Frevel müde, Sie haben die Gewalt mißbraucht, die Sie sich anmaßten; Gott wird Sie später dafür bestrafen, aber ich —- ich bestrafe Sie heute.«
»Ha, das ist zuviel!« rief Buckingham und trat gegen die Tür vor. Felton versperrte ihm den Weg und sagte: »Ich bitte in Demut, unterzeichnen Sie den Freilassungsbefehl für Lady Winter, gegen die Sie sich vergangenhaben.«
»Hinweg, mein Herr,« gebot Buckingham, »oder ich rufe meine Leute und lasse Euch forttreiben.«
»Sie werden nicht rufen,« sagte Felton und stellte sich schnell zwischen den Herzog und die Glocke, die auf einem mit Silber getäfelten Tischchen stand. »Haben Sie acht, Mylord, Sie sind jetzt in Gottes Hand.«
»In des Teufels Hand, wollt Ihr sagen!« rief Buckingham mit verstärkter Stimme, um Leute aufmerksam zu machen, ohne daß er sie unmittelbar gerufen hätte. »Unterschreiben Sie, Mylord, unterschreiben Sie die Freilassung der Lady Winter,« sprach Felton und stieß ein Papier gegen den Herzog hin. »Gewalt? was ist's? Holla, Patrik!«
»Unterschreiben Sie, Mylord!«
»Niemals!«
»Niemals?«
»Herbei!« schrie der Herzog und sprang auf seinen Degen los. Noch Felton ließ ihm nicht Zeit, denselben zu zücken, er hielt das entblößte Messer, mit dem sich Mylady verwundet hatte, unter seinem Wams verborgen, und mit einem Satz war er an dem Herzog. In diesem Moment trat Patrik in den Saal und rief: »Mylord, ein Brief aus Frankreich.«
»Aus Frankreich?« entgegnete der Herzog, der alles andere vergaß und nur daran dachte, von wem dieser Brief komme. Felton nützte diesen Moment und bohrte ihm das Messer bis ans Heft in die Seite. »Ha, Verräter!« schrie Buckingham, »du hast mich ermordet!«
»Mörder! Zu Hilfe!« kreischte Patrik, Felton wandte seine Blicke umher, um zu entfliehen; als er die Tür offen sah, stürzte er in das Nebenzimmer, worin, wie schon gesagt, die Deputierten von La Rochelle warteten, eilte durch dasselbe und floh der Treppe zu. Allein schon auf der ersten Stufe begegnete er Lord Winter, der ihn, als er ihn blaß, verstört, leichenfahl, an Hand und Gesicht mit Blut bespritzt, heraneilen sah, an der Kehle packte und ihm zurief: »Ich habe es geahnt, ich habe es gewußt! Eine Minute zu spät – o, ich Unglücklicher!« Felton leistete keinen Widerstand. Lord Winter überlieferte ihn den Wachen, und diese führten ihn, bis auf weitere Befehle, nach einer kleinen, das Meer beherrschenden Terrasse, während er selbst in das Kabinett Buckinghams eilte.
Auf das Geschrei, das der Herzog ausgestoßen, und auf Patriks Hilferuf, stürzte der Mann, den Felton im Vorhof angetroffen, eilfertig in das Kabinett. Er fand den Herzog auf einem Sofa liegend, die Wunde mit krampfhafter Hand zusammenpressend. »Laporte!« rief der Herzog mit ersterbender Stimme, »Laporte, kommst du von ihr?«
»Ja, Monseigneur!« versetzte der getreue Diener der Königin Anna, »– aber ach, vielleicht schon zu spät.«
»Stille, Laporte, man könnte dich hören. O, ich sollte nicht mehr erfahren, was sie mir sagen läßt; mein Gott, ich sterbe!« Der Herzog ward ohnmächtig. Mittlerweile waren Lord Winter, die Deputierten, die Anführer der Expedition, die Beamten des Hauses Buckingham indas Kabinett gekommen. Überall erschallte ein Geschrei der Verzweiflung. Die Kunde, die den Palast mit Wehklagen und Seufzern erfüllte, verbreitete sich alsbald durch die ganze Stadt. Ein Kanonenschuß verkündete ein neues, unerwartetes Ereignis. Lord Winter raufte sich die Haare aus und stöhnte: »Um eine Minute zu spät, ach, um eine Minute zu spät! O, Gott, was ist das für ein Unglück!« Man hatte ihm in der Tat um sieben Uhr früh gemeldet, daß eine Strickleiter an einem Fenster des Schlosses hänge. Er lief auch zugleich in Myladys Zimmer, fand dasselbe leer, das Fenster geöffnet und die Gitterstangen durchgesägt. Er erinnerte sich wieder, was ihm d'Artagnan durch
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