Die drei Musketiere
denn schlafen? Ich schlafe nicht mehr, ich träume bisweilen, das ist alles. Kommen Sie nur, so früh Sie wollen, um sieben Uhr; doch haben Sie acht, wenn Ihre Musketiere schuldig sind.«
»Wenn meine Musketiere schuldig sind, Sire, so sollen die Schuldigen Ew. Majestät überliefert werden. Verlangt Ew. Majestät noch mehr, ich bitte zu sprechen; ich stehe bereit, zu gehorchen.«
»Nein, mein Herr, nein; man nennt mich nicht ohne Ursache Ludwig den Gerechten. Also morgen, morgen.«
»Gott erhalte Ew. Majestät!«
Wie wenig auch der König schlief, so schlief doch Herr von Tréville noch schlechter; er ließ es noch an demselben Abend seinen drei Musketieren und ihrem Gefährten vermelden, sie möchten sich morgen um halb sieben Uhr bei ihm einfinden. Er nahm sie mit sich, ohne ihnen eine Versicherung oder ein Versprechen zu machen, und ohne ihnen zu verhehlen, daß sein und ihr Glück vom Zufall abhänge. Als er bei der kleinen Treppe ankam, ließ er sie warten. Wäre der König noch immer über sie erzürnt, so sollten sie sich ungesehen entfernen; wolle er sie aber empfangen, solle man sie nur rufen müssen. Als Herr von Tréville in das besondere Vorgemach des Königs kam, traf er la Chesnaye, der ihm sagte, man habe den Herzog de la Tremouille gestern abend nicht in seinem Hotel angetroffen; er sei zu spät nach Hause gekommen, um sich noch nach dem Louvre zu begeben; er sei eben erst hierher gekommen und befinde sich jetzt bei dem König. Dieser Umstand war Herrn von Tréville sehr angenehm, denn er war versichert, daß sich zwischen ihm und Herrn de la Tremouille keine Einflüsterung von fremder Seite einschmuggeln werde. In der Tat waren kaum zehn Minuten vergangen, als die Kabinettstür des Königs aufging, wo dann Herr von Tréville den Herzog de la Tremouille herankommen sah, der sich ihm näherte und zu ihm sprach: »Herr von Tréville, Seine Majestät ließ mich rufen um zu erfahren, wie sich die Sache gestern früh in meinem Hotel verhalten habe. Ich sagte ihm die Wahrheit, das heißt, daß die Schuld auf der Seite meiner Leute lag. Da ich Sie nun hier treffe, so nehmen Siegefälligst meine Entschuldigung hin, und betrachten Sie mich stets als einen Ihrer Freunde.«
»Herr Herzog,« entgegnete Herr von Tréville, »ich setze so viel Zuversicht in Ihre Rechtlichkeit, daß ich bei Seiner Majestät keinen andern Vertreter wollte als Sie. Ich sehe, daß ich mich nicht betrog, und danke Ihnen dafür, daß es noch einen Mann gibt, von dem man untrüglich sagen kann, was ich von Ihnen gesagt habe.«
»Es ist gut, es ist gut!« sprach der König, der zwischen der Doppeltür diese Komplimente mitangehört hatte; »nur sagen Sie ihm, Tréville, weil er behauptete, Ihr Freund zu sein, daß ich zu den seinigen zu gehören wünsche, daß er mich aber vernachlässigt, daß ich ihn bald drei Jahre lang nicht sah, und daß ich ihn nur dann sehe, wenn ich ihn berufen lasse. Sagen Sie ihm das von meiner Seite; denn das sind Dinge, die ihm ein König nicht selbst sagen kann.«
»Dank, Sire, Dank!« rief der Herzog; »doch bitte ich Euer Majestät, zu glauben, daß nicht diejenigen – ich sage das nicht in bezug auf Herrn von Tréville –, daß nicht diejenigen Ihre ergebensten Diener sind, die Sie zu jeder Stunde um sich sehen.«
»Ha, Sie haben gehört, was ich sagte; um so besser, Herzog, um so besser,« sprach der König und trat weiter hervor. »Ah, Sie sind es, Tréville! und wo sind Ihre Musketiere? Ich habe Sie gestern gebeten, mir dieselben vorzustellen; warum taten Sie es nicht?«
»Sie stehen unten, Sire, und mit Ihrer Erlaubnis wird la Chesnaye sie heraufrufen.«
»Ja, ja, sie mögen sogleich kommen; es wird acht Uhr, und um neun Uhr erwarte ich einen Besuch. Gehen Sie, Herr Herzog, und vor allem, kommen Sie wieder. Treten Sie ein, Tréville!« Der Herzog verneigte sich tief und ging fort. In dem Moment, als er die Tür öffnete, erschienen die drei Musketiere und d'Artagnan. »Kommt, meine Wackeren!« sprach der König, »kommt, ich habe euch auszuzanken.« Die Musketiere näherten sich mit einer Verbeugung, und d'Artagnan folgte ihnen nach. »Wie, des Teufels!« fuhr der König fort; »Ihr vier habt in zwei Tagen sieben Gardesoldaten Seiner Eminenz kampfunfähig gemacht? Das ist zuviel, meine Herren, das ist zuviel. Auf solche Art wäre Seine Eminenz gezwungen, seine Kompagnien in drei Wochen zu erneuern, und ich müßte die Edikte in ihrer ganzen Strenge gelten lassen. Wenn es zufällig nur ein
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