Die drei Musketiere
wurde an der Schulter von einer Kugel getroffen, Mousqueton von einer andern, die im fleischigen Teil der Hüften steckenblieb. Indes fiel Mousqueton allein vom Pferde; nicht als wäre er so schwer verwundet gewesen, sondern weil er die Wunde nicht sehen konnte, so glaubte er, daß er viel gefährlicher verletzt sei, als es wirklich der Fall war. »Das ist ein Hinterhalt!« rief d'Artagnan, »erwidern wir das Feuer nicht und eilen wir weiter.« Der schwerverwundete Aramis faßte sein Pferd an der Mähne, und dieses trabte mit den andern fort. Jenes von Mousqueton holte sie wieder ein und trabte in seiner Reihe ganz allein. »Da haben wir jetzt ein Pferd zum Wechseln,« sprach Athos. »Ein Hut wäre mir lieber,« entgegnete d'Artagnan, »den meinigen hat mireine Kugel weggerissen. Zum Glück ist der Brief, den ich trage, nicht darin gewesen.«
»Ha, sie werden den armen Porthos töten, wenn er vorüberzieht,« sagte Aramis. »Wäre Porthos auf den Beinen,« versetzte Athos, »hätte er uns sicher schon eingeholt. Ich glaube, der Trunkenbold ist auf dem Kampfplatz nüchtern geworden.«
Man trabte noch zwei Stunden lang fort, obgleich die Rosse bereits so erschöpft waren, daß zu befürchten stand, sie würden alsbald den Dienst versagen. Die Reisenden wählten einen Seitenweg, da sie hier weniger behelligt zu werden hofften, jedoch in Crévecoeur erklärte Aramis, daß er nicht mehr weiterreisen könne. Er mußte auch wirklich alle Kräfte aufbieten, die er unter seiner feinen Gestalt und seinen artigen Manieren barg, um bis hierher zu kommen. Er erblaßte mit jedem Augenblick, und man war genötigt, ihn auf seinem Pferde zu unterstützen; man hob ihn vor der Tür einer Herberge herab und gab ihm Bazin bei, der ohnedies bei einem Scharmützel mehr hinderlich als förderlich war, und zog von dannen, in der Hoffnung, in Amiens Nachtlager halten zu können. Als sie auf der Straße sahen, daß sie bis auf zwei Herren und auf Grimaud und Planchet zusammengeschmolzen waren, rief Athos: »Zum Henker! ich werde nicht ihr Narr sein, und bürge Euch dafür, Sie werden mich bis Calais nicht dahinbringen, daß ich den Mund auftue oder den Degen ziehe. Das schwöre ich –«
»Schwören wir nicht,« entgegnete d'Artagnan, »und traben wir weiter, wenn es anders unsere Pferde aushalten.« Die Reisenden spornten ihre Pferde an, die, lebhaft aufgestachelt, wieder ihre Kräfte fanden. Man kam um Mitternacht nach Amiens und stieg ab vor der Herberge »Zur goldenen Lilie«. Der Wirt sah aus wie der ehrbarste Mann auf Erden; er empfing die Reisenden mit dem Leuchter in der einen und mit der baumwollenen Mütze in der andern Hand; er wollte jedem der zwei Gäste ein nettes Zimmer einräumen; unglücklicherweise lag jedes dieser Zimmer am äußersten Ende des Wirtshauses. D'Artagnan und Athos taten dagegen Einspruch. Der Wirt entgegnete, daß er keine andern habe, die der Exzellenzen würdig wären; allein die Reisenden erklärten, sie wollten zusammen ein Gemach, und jeder auf einer Matratze schlafen, die man auf den Boden ausbreiten möge; der Wirt widerstrebte lange, doch die Reisenden gaben nicht nach, und so mußte er ihren Willen tun.
Sie hatten bereits ihre Betten geordnet und ihre Tür von innen verrammelt, als vom Hofraum aus an ihre Fensterbalken geklopft wurde. Sie fragten, wer da sei, erkannten die Stimmen ihrer Bedienten und machten auf. Es waren in der Tat Planchet und Grimaud. »Grimaud wird allein im stande sein, die Pferde zu behüten,« sagte Planchet; »wenn es die Herren genehmigen, so will ich mich querüber die Türschwelle legen; auf diese Art werden Sie sicher sein, daß man nicht bis zu Ihnen vordringt.«
»Und worauf willst du schlafen?« fragte d'Artagnan. »Hier ist mein Bett,« antwortete Planchet, auf ein Bund Stroh zeigend. »Komm also,« sagte d'Artagnan, »du hast recht, das Gesicht des Wirtes gefällt mir nicht, es ist zu schmeichelnd.« Planchet stieg durch das Fenster und legte sich quer vor die Tür, indes sich Grimaud im Stall einschloß, nachdem er versprochen hatte, um fünf Uhr früh werde er mit den vier Pferden bereitstehen.
Die Nacht verging ziemlich ruhig; gegen zwei Uhr morgens versuchte man wohl die Tür zu öffnen, da jedoch Planchet rasch aufwachte und »Wer da?« rief, antwortete man, daß man sich irrte, und entfernte sich wieder. Um vier Uhr früh hörte man ein großes Geräusch in den Ställen. Grimaud wollte die Stallknechte aufwecken, und diese schlugen ihn. Als man die Fenster
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