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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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beide nach und waren außer sich über das Bekannte jenes Weibes. "Es schmerzt nicht." Leander kam wohl zu besonderen Zeiten, damit er, wie der Vormund sagte, Manieren lerne, in diese oder jene Familie, die einst mit seinem nun verwaiseten Hause verbunden gewesen war, aber er lernte dort nichts, weil er bloß schwieg, in einen Winkel gedrängt wurde, und bei der ersten Gelegenheit fort ging. Um Erwin aber, dessen Güter lauter Raubritterruinen in den fernen Waldbergen waren, kümmerte sich kein Mensch und kein Hund. Wenn er mit seinem Diener zur Schule ging, so geschah es zuweilen, daß eine Mädchengestalt etwa über seinen Weg trat, oder in einem Wagen vorbei fuhr; allein er machte sich nie davon eine deutliche Vorstellung, was das sei, und wie sie sich von ihm unterscheide.
    Nicht weit von der Stadt war ein verrufener Winkel, "die Gänseweide" geheißen, dort rangen sie, warfen den Diskus, und fochten mit Schild und kurzem Schwerte. Weit von ihrer Wohnung, wo der Fluß zwischen düstern Föhren stagnierte, schwammen sie, und sprangen über ausgetrocknete Lehmgruben.
    Als sie Jünglinge geworden, schlossen sie einen Freundschaftsbund, wie etwa zwei gefeierte Namen des Altertums, und damals hatten sie auch verabredet, im strengsten Sinne des Wortes, wie das klassische Sprichwort sagt, die Schmiede ihres Schicksals zu werden, nämlich sich von allem unabhängig zu machen, was zufällig sei, damit geschehen könne, was auf Erden möglich, ohne ihr inneres Glück zu berühren. Von diesem Tage an aßen sie nur mehr eine vegetabilische Brühe, annähernd die schwarze Suppe Lakedämons, schliefen auf bloßem Stroh, und verbannten alle Geräte, außer einem Tische und einer Bank. Ihre Zeit und ihre Mitwelt ging neben ihnen her, als sei sie vor tausend Jahren gewesen.
    Daß ihr äußeres Benehmen auf diese Weise ungeschlacht und eckig, ja unheimlich und lächerlich zugleich werden mußte, ist begreiflich, nur sie ahnten nichts davon. Bloß darin mochte sich ein dunkles Gefühl davon aussprechen, daß sie, je mehr sie heran wuchsen, desto mehr die Gesellschaft flohen, namentlich die gesellige, von Männern und Frauen gemischte; nur mit dem einen oder dem andern verwitterten und bemoosten Repetenten der Schule pflogen sie Umgang und lernten von ihm Kneipenton, was sie für moderne Welt hielten, im Gegensatze zu der alten klassischen. Damen und Mädchen gossen ihnen Blei in die Glieder, so daß die Füße in dem Boden und die Hände in den Rocktaschen wurzeln mußten. Sie erlangten die Beweglichkeit erst wieder, wenn sich der Zauber dieser Klapperschlangen entfernt hatte.
    Nur Leander hatte schon einmal mit einer geredet, er war damals achtzehn Jahre alt, sie fünfzehn und wunderschön. Er mußte zum neuen Jahre Glück wünschen gehen, und traf unselige Weise nur Mutter und Tochter zu Hause, und zwar zum Ausgehen angezogen. Noch dazu wurde die Mutter abgerufen und sagte im Weggehen: "So reden Sie doch mit Elmiren, Herr Baron!" Damals nun hatte er gefragt: "Diese Webe an Ihrem Gewande ging gewiß aus Ihrer und Ihrer Mutter kunstreicher Webehand im Frauengemache hervor." Elmire wurde bloß im ganzen Gesicht blutrot, und hatte ihm aber gar nichts geantwortet. Seit der Zeit beging er lieber die schreiendste Unart, als daß er sich wieder einer solchen Lage ausgesetzt hätte. Erwin hatte solches nie zu erdulden gehabt; denn er war in seinem Leben noch nie auf dem glatten Boden eines Versuches gestanden.
    Eine Stellung hatten sie trotz alle dem, in welcher sie jedes Auge mit Vergnügen anschaute, nämlich, wenn sie zu Pferde saßen - reiten hatten sie bei dem ersten Meister gelernt - da reichte kein Jüngling an diese zwei kraftvollen schönen Göttergestalten. In der Tat hatten sie durch ihre Übungen eine Gesundheit erlangt, daß ein eiserner Turm auf sie fallen konnte, ohne ihnen etwas anzuhaben, und eine tigerartige Kraft und Geschmeidigkeit, die nur in Wüsten vorkommt; leider trat sie bloß bei ihrem einsamen Laufen und Springen hervor, nie aber im geselligen Verkehre. Auch war ihrem Erscheinen ein Umstand im Wege, den ich zum Schaden meiner Helden noch anführen muß. Sie gingen nämlich, wie einst als Knaben in Männerkleidern, so jetzt als Jünglinge in Greisengewändern, und noch dazu fast im Schnitte des vorigen Jahrhunderts. Sie ließen, oder vielmehr ihre Bedienten - sonst fast Todfeinde, in diesem einen Punkte aber wunderbar gleich - ließen bei demselben uralten Schneider arbeiten, und zwar so, wie es in ihrer

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