Die drei Schmiede ihres Schicksals
Menschen, das Vollbringen das der Götter.
Alle Diener und Müßiggänger, alle Schmarotzer und Freunde des Hauses, alle Beamte, große und kleine, waren in ihrem Herzen unsäglich erleichtert, als sie den Tod des unerträglichen tyrannischen Vormundes erfuhren und die Ankunft des schwachen Narren, ihres neuen jungen Herrn, erwarteten. Der Verwalter konnte sein Erstaunen drei Tage und drei Nächte nicht verwinden über die unsägliche Albernheit seines neuen Gebieters, wie er ihn verwirrt und ehrerbietig vor seiner eigenen Tochter, der törichten Rose, stehen sah, wie er lauter Kräutersuppe aß, stets zu Fuße ging und auf einem Bund Stroh schlafe. Aber ehe zwei Jahre ins Land gingen, sagte man sich unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit ins Ohr, welch unendlich fürchterlicher Tyrann jetzt da sei: Zwei Jahre nicht zornig und zwei Jahre unerbittlich.
Erwin ließ sich, als er einen Tag zu Hause gewesen, sofort alle Papiere, die sich auf den Komplex seiner Güter und auf einzelnes bezogen, vorlegen, und las darin über anderthalb Jahre, dann schrieb er ein halbes Jahr, und legte endlich dem Verwalter den Entwurf für die Zukunft vor. Dieser sagte, er sei unausführlich. Erwin erwiderte nichts, aber in zwei Jahren war der Entwurf ausgeführt und im Gange, er hatte nur zu diesem Behufe zwei Dritteile seiner Leute entlassen. Keine Gesellschaft, kein Gastmahl, kein Tropfen Wein, als lauter verkäuflicher, keine Kutsche, kein Pferd daran, einen groben grauen Rock, tagsüber stets am Schreibtische, und von Boten und Beauftragten umringt, abends allein im Garten, Klettern, Laufen, Steine werfen, über Holzböcke springen, dabei immer ernsthaft bleiben - es ging über menschliche Begriffe! - und so jung, und so geizig und so unerhört hartnäckig; um kein Jota durfte von seinen Anordnungen abgegangen werden. Und als nach fünf Jahren alles in seinem ordentlichen Gange war, sahen sie ihn in dem grauen Rocke, mit einem Ränzlein auf dem Rücken, und einem Knotenstocke in der Hand fortgehen und nicht wiederkommen.
Er aber war auf dem Wege nach Havre, um von dort New-Orleans zu gewinnen. Ein Oberverwalter war bestellt, alle Korrespondenzpunkte bestimmt, und alles in absoluter Festigkeit und Gewißheit. Seinen Freund hoffte er in Paris zu finden, wo er sich, wie er gehört, schon seit einem Jahre aufgehalten, und er hoffte ihn vielleicht zur Teilnahme oder Nachfolge zu bewegen. Aber auf seiner fünften Nachtstation hatte er das Unglück zu erfahren, daß sich Leander auf das Schmählichste geändert. Er fand nämlich dort auf der Post einen Brief seines Verwalters, und darinnen eingeschlossen einen von Leander, der ihn zu Gaste auf seine Hochzeit bat. "Ich habe dich", hieß es unter anderm darin, "du geliebter alter Freund und Genosse meiner Jugendträume, nicht vergessen, und immer nicht vergessen können. Erinnerst du dich noch an das kindische Versprechen des Nichtkorrespondierens - nun ich muß es doch brechen, um zu sehen, wie es mit dir ist, da du gar nichts hören läßt. Auf alle deine Schlösser habe ich zugleich Abschriften dieses Briefes gesendet, und hoffe dich gewiß bei mir zu sehen, wenn du nicht etwa indessen, weiß Gott wo, in Europa herum vagierest. Wir hätten dich trotz der Unpäßlichkeit meiner Eveline und der Abneigung ihrer Mutter vor Reisen auf einem deiner Nester überfallen, wenn wir nur gewußt hätten, wo. Alle Nachrichten der Reisenden stimmten darin überein, daß auf keinem deiner Güter eine Herrschaft wohne. Bist du etwa in süßen Banden? wie!? und halten dich diese in der Stadt? ich hoffe, daß ein deiniger Lehnsmann, dem dieser Zettel in die Hände gerät, so viel Vernunft haben wird, ihn dir zu übermachen. Ich sehne mich im Ernste nach dir, die holdesten liebsten Fäden meines Herzens und meiner Kinderspiele laufen in dir zusammen. Eveline ist zu begierig auf dich. Komme, komme, und komme, du bist der Willkommenste auf Schloß Turun."
Erwin war zu einer Säule erstarrt. Das erste Mal in seinem Leben half ihm die Stoa nichts. Er suchte vergeblich, zu machen, daß dieser Schmerz und dieser Verdruß nichts sei - er war immer wieder da, und so sehr er bisher und so glücklich er an seinem Schicksale geschmiedet hatte:
dieser
Klumpen Eisen war einmal absolut nicht zu schweißen, ja er wurde sogar, wie gerade starke Menschen, wenn sie einmal aus dem Geleise sind, nervös, und ärgerte sich über Dinge, über die sich niemand zu ärgern hat: über die gläsernen Salzfässer, über den
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