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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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kleinen Wirt, und über seinen Ärger. Turun lag nur eine Weile von dem Städtchen, übermorgen war Hochzeit, ganze Wagen voll Gäste waren schon durchpassiert, mit der lieblichen Morgenröte war auch die Stoa beinahe wieder gekommen, aber doch nicht ganz; denn statt seine Reise gelassen fortzusetzen, wie Zeno getan hätte, dachte Erwin: "Dies eine Mal kann ich ja von meinem Vorhaben so weit abgehen, daß ich es um zwei Tage verzögere; denn diese zwei Tage kann ich ja im Gehen einbringen - ich will hinüber und dem einstigen Freund mit meiner ruhigen Gegenwart beschämen, und etwa retten, was noch zu retten ist."
    Ach, der Arme! den süßen Zug, der ihn heimlich zu dem ehemaligen Lieblinge zog, wagte er nicht, sich einzugestehen. Und so ging er gegen Abend auf Schloß Turun hinüber. Das Ränzlein hatte er bei dem Wirte gelassen, mit dem Bedeuten, daß er es übermorgen abholen werde.
    Er war nicht ganz zufrieden mit sich, und sein Herz war auf dem ganzen Wege unruhig. Dieses erste Mal hatte er seinem Zwecke zuwider dem Zufalle nachgegeben, aber es soll gewiß auch das letzte Mal sein.
    Drüben war alles vollgestopft mit Gästen. Man geriet durch den neuen Ankömmling in eine zweifache Verlegenheit: erstens, was man denn aus seinem einfachen grauen Rocke machen sollte, der so unsäglich hochzeitswidrig war, und zweitens, wohin man ihn einquartieren werde; denn von allen Geladenen waren entweder Entschuldigungen oder Annahmen eingegangen, und jeder Raum und jedes Räumchen des Schlosses war vergeben, bis auf eines, wohin man aber unmöglich einen Menschen stecken konnte, ohne sich der größten Verantwortung auszusetzen. Nur Leander in seinem wahrhaft stürmischen Entzücken, daß er den Mann wieder habe, den er am meisten auf dieser Welt liebte, machte sich aus beiden Verlegenheiten nichts. Über das erste, worauf sich jedoch die Blicke aller Arten andern richteten, glitt sein Auge ohne Bewußtsein hinaus; über das zweite, als es ihm der Haushofmeister zugeflüstert hatte, lachte er bloß und sagte: "Dieser Mann, Erwin, trägt Bedenken, dich in eine Stube zu weisen, worin Gespenster sind. Du mußt nämlich wissen, daß mein Haus nicht bloß von außen das ganze weitläufige Ansehen eines alten Feudalschlosses hat, sondern daß es auch noch seinen Geist auf unsere ungläubige Zeit herüber gerettet. In dem Zimmer, wo du heute schlafen sollst, geht zu Zeiten unsere weiße Frau herum, eine Dame des Hauses aus dem elften Jahrhundert. Sie ist aber nicht etwa eine Verbrecherin, sondern bloß eine Schutzfrau, die nur zur Warnung erscheint. Heute, meine ich, wird sie wohl ruhig in der Gruft bleiben; denn wenn sie gegen Evelinen etwas hätte, so hätte sie mit zarter Weise doch viel früher erscheinen sollen - außer sie dehnt etwa ihre Sorgfalt für mich auch auf dich, meinen Freund, aus, wenn du vielleicht auf bösen Wegen wandelst."
    Erwin, der keine anderen, als klassische Gespenster kannte, fürchtete keine mittelalterlichen, und beruhigte den Haushofmeister, der nun sofort befahl, daß man das rote Eckzimmer lüfte, daß man weiche Dunen in das Bett lege, Teppiche breite, den Kamin heize und Wein und kalten Braten auf den Tisch stelle. Alles müsse noch bei Tageshelle fertig sein.
    Leander nahm nun den Freund, indessen man sein Zimmer bereitete, mit sich in sein eigenes Gemach, das einzige, das ihm heute zu freier Schaltung übrig geblieben war, und bewillkommte ihn dort wieder und wieder, so daß es dem Andern fast süß und lieb ins Herz geflossen wäre, wenn er nicht den freien, schönen, verweichlichten Mann vor sich hätte stehen gesehen, der einst sein starker, edler Freund gewesen. Ob der Mann aber nicht auch in dem fein rasierten Angesichte und dem modernen Fracke noch edel und stark geblieben sein könne, davon ahnte Erwin in seiner Einseitigkeit nichts, Leander aber durchblickte den armen Freund gar wohl.
    "Wir wollen heute und morgen", sagte er, ."einmal das reine Beisammensein genießen und von nichts anderem reden, was es trüben könnte. Ich fürchte, du bist auf einer weiten Reise."
    "Ja, nach Texas, wo ich bleiben will."
    "Da sei Gott vor, was willst du denn in dem verworrenen, unsicheren Lande? Davon müssen wir dich abbringen."
    "Das wird wohl nicht angehen", sagte Erwin lächelnd.
    "Nun, nun, es sei, wie es wollte", versetzte Leander, "lassen wir das alles, wir wollen schon über dich gehen und dich heilen. Jetzt komme, damit wir nicht streiten, mit mir auf den Balkon, ich will dir meine Gäste

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