Die drei Steine der Macht
einen. Irgendwie war er ihnen immer wieder entkommen.
Agilwardus verkniff grimmig sein Gesicht, während ihm der kalte Seewind ins Gesicht blies und sich seine steifen Hände an die Reling klammerten, als er an den Besuch bei seinem Bruder Manegold vor ein paar Wochen zurückdachte. Es war nicht sein Plan gewesen, ihn zu töten, nicht zu diesem Zeitpunkt. Er hatte ihm den Stein nur abnehmen wollen.
Seit er ihn vor eintausend Jahren in dem Wald zurückgelassen hatte, war er seinem Bruder Manegold nicht mehr begegnet. Nur über Briefvögel waren sie in Kontakt geblieben.
Während er sich selbst in den Bergen regelrecht einen eigenen Staat geschaffen hatte und Widradus auf seiner Pirateninsel das Leben genoss, hatte Manegold völlig zurückgezogen gelebt. Agilwardus erinnerte sich noch daran, wie Manegold ihn angefleht hatte, noch eine Weile bei ihm zu bleiben, denn er hatte sich direkt nach Altseeburg von ihm trennen wollen. So waren sie noch eine Zeit lang gemeinsam nach Westen gegangen. Mit einem bösen Lächeln kam Agilwardus die Erinnerung an die Vernichtung des Dorfes, den Namen hatte er bereits vergessen, in den Sinn. Was für ein Gefühl der Macht. Danach hatte auch Manegold Gefallen an der Benutzung des Steines gefunden, und bald darauf hatten sie sich getrennt.
Aus den gelegentlichen Briefen wusste Agilwardus, dass Manegold einiges Gesindel um sich gescharrt hatte, das ihm diente. Aber er hatte nur ihre Dienste in Anspruch genommen, und nicht ihre Gesellschaft. Er war mit der Zeit immer wunderlicher geworden.
Absolut arglos hatte sich Manegold über den Besuch seines Bruders gefreut und dabei die ganze Zeit merkwürdiges Zeug in seinen dünnen Bart gebrabbelt. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, ihm den Stein wegzunehmen, Manegold hätte es wahrscheinlich nicht einmal gemerkt. Doch dann erzählte dieser Idiot so nebenbei beim Essen, dass seine Leute den Auserwählten bereits gefangen hatten und er ihnen wegen Unachtsamkeit wieder entkommen war. Agilwardus war beinahe ohnmächtig vor Wut geworden. Dieser sabbernde, alte Tattergreis vor ihm hatte nicht ansatzweise die Bedeutung seiner Pläne begriffen. In seinem Zorn hatte er Manegold das Fleischmesser in die Brust gestoßen, den Stein an sich genommen und dann beschlossen, die neue Waffe an dessen Haus zu testen.
Von seiner Luftkutsche aus hatte er die Explosion beobachtet. Die Wirkung war grandios gewesen. Der Feuerstoff hatte das Haus komplett zerrissen, und die Trümmer waren über die gesamte Lichtung verteilt worden. Altseeburg würde keine Chance haben. Doch in der Drachenhöhle waren seine Pläne zerstört worden. Die Frage, ob der Auserwählte den Stein hatte oder nicht, blieb. Seine Leute waren weiter auf der Suche nach dem Fremden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er die Antwort erhalten würde.
Der Drache betrachtete aus der kauernden Position, in der er angekettet war, den alten Mann an der Reling. Ihm juckte die Haut schon wieder fürchterlich von dem Menschenfleisch, das man ihm zu fressen gab, und ihm taten alle Glieder weh, da er sich schon seit Tagen nicht mehr bewegen konnte. Er hatte gerade angefangen, sich wieder wohlzufühlen. Kein Jucken mehr, baden im Meer und Mittagsschläfchen in der Sonne auf seinem Berg. Warum konnte man ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Und warum gingen diese mickrigen Zweibeiner bloß immer davon aus, dass er Menschenfleisch fraß, schließlich lebte er mitten im Meer auf einer Insel! Dieser alte Mann sah genauso aus wie der von damals. Wieder im Schlaf überrascht, diese Leute kannten keine Ehre. Elende Feiglinge! Sie hatten ihm Fesseln angelegt, und als er aufwachte, hatte ihm der alte Mann wieder so einen gelben Klumpen vor die Augen gehalten. Wieder war das merkwürdige Gefühl über ihn gekommen, und sein Körper tat Dinge, die ihm sein Verstand, so klein er auch war, verbot. So musste er tatenlos zusehen, wie er zum Schiff flog und sich wie ein Paket verschnüren ließ. Dieser alte Mann war ungleich stärker als sein Bruder. Hatte dieser ihn nur dann unter Kontrolle halten können, wenn er ihm den Stein vor Augen gehalten hatte, so verschwand dieses schwammige Gefühl aus seinem Kopf nun nicht mehr. Es wäre ein Leichtes gewesen, dieses Schiff anzuzünden und allem ein Ende zu bereiten, aber es wollte kein Feuer kommen, so sehr er es auch versuchte. Ihm blieb nichts übrig, als zu warten. Vielleicht traf er ja den netten jungen Mann, der ihn damals befreit hatte, und das seltsame Wesen, das bei ihm
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